Ein Hotel unter der Scheune
Ein von Noa gestaltetes und in Völs am Schlern gelegenes Hotel bietet eine spektakuläre Aussicht. Eine behutsame Hangbebauung und ein neuer Verwendungszweck für die bereits bestehenden Strukturen vermitteln das Gefühl, «in» der Natur zu leben.
Von Laura Ragazzola (Text) und Alex Filz (Bilder)
Das traditionelle Berggasthaus Schönblick wurde zu einem Hotel erweitert, ohne dabei die wunderschöne Landschaft mit ihrem einzigartigen Charme durch neue Strukturen zu verändern. Das war das Ziel des Projekts, das Noa in Völs, in der herrlichen Dolomitenlandschaft des Schlerns und des Rosengartens, realisiert hat.
Neue Unterkünfte
Das Hotel Gfell mit dem bereits bestehenden Restaurant Schönblick liegt ruhig und unweit des Dorfes Völs am Schlern oben an einem Hang, der einen atemberaubenden Ausblick auf unberührte Wiesen und Wälder bietet. Der Eigentümer wollte sein Restaurant mit einem gehobenen Hotelservice kombinieren und neue Unterkünfte schaffen, welche die Einzigartigkeit des Ortes noch hervorheben.
«Wir hätten auch ein neues Gebäude hinzufügen können», sagt der Architekt Andreas Profanter, Partner des Studios Noa, und ergänzt: «Im Einvernehmen mit dem Kunden haben wir uns jedoch für eine weniger invasive Lösung im Einklang mit der Natur entschieden: Der neue Teil wurde direkt in den Hügel gebaut. Eine unterirdische Konstruktion mit minimalen Auswirkungen auf die Umgebung, die den Ausblick des Restaurants nicht behindert, sondern vielmehr allen Gästen des neuen Hotels ein spektakuläres Panorama bietet. Und nicht nur das: Eine auf dem Grundstück befindliche alte Scheune wurde in das neue Hotel integriert, womit nun zusätzlicher Raum zur Verfügung steht.» Das Hotel, dessen Name an die Bezeichnung der als «Gfell-Wiesen» benannten Gegend angelehnt ist, wurde als Superiorhotel der 3-Sterne-Klasse (3*s) eingestuft.
Besondere designtechnische Lösung
Die neuen Räumlichkeiten des Hotels werden durch eine alte Scheune neben dem Restaurant betreten. Von aussen hat das Gebäude dank einer sorgfältigen Restaurierung sein traditionelles Aussehen bewahrt, sein Inneres überrascht die Besucher jedoch: Die Scheune wurde innen vollständig umgestaltet. In einem grossen offenen Raum befinden sich die Hotelrezeption, ein Aufenthalts- und Frühstücksraum.
Es ist eine besondere designtechnische Lösung, die sowohl aus architektonischer als auch aus ökologischer Sicht sehr effektiv ist: Einerseits wird eine bereits vorhandene, in der Gegend und der Tradition gut verwurzelte Struktur erneut genutzt, andererseits erhält die Scheune, die sonst zur Nutzlosigkeit und damit zum Verfall verurteilt wäre, eine neue Funktion und wird zu einem interessanten und faszinierenden Ort. Der grosse Raum wird mit grossflächigen, zum Tal zeigenden Fenstern von Licht durchflutet. Die Fenster sitzen hinter der Sparrenkonstruktion aus Holzbalken, die teilweise nach der örtlichen Bautradition erneuert wurden. Dadurch ist die Atmosphäre eines typischen Südtiroler Bauernhofs erhalten geblieben. Sogar der Boden, der wie ein einfacher, unbehandelter Estrich aussieht, erinnert an die Spuren der ursprünglichen Scheune (eine spezielle Behandlung macht die Oberfläche wasser- und schmutzabweisend). Im Zentrum der Scheune befindet sich ein spektakulärer Kamin, umgeben von Frühstücksraum und Lobby. Zum Teil offene Holzpaneele schützen vor intensivem Sonnenlicht in den heissen Stunden und sind gleichzeitig eine ästhetisch ansprechende Lösung. Aussen erstreckt sich eine grosse Terrasse, von der die Gäste den Blick auf das Tal geniessen können.
In den Hang gebaut
Die neue Struktur besteht aus einem zweigeschossigen Souterrain, das der natürlichen Neigung des Geländes folgt: Die Architektur ist somit so zurückhaltend, da sie allein dem Ziel dient, sich unauffällig in die Natur einzubetten.
Der Dialog mit der Natur ist für die Planenden – und in diesem Projekt mehr als in jedem anderen – von besonderer Bedeutung. Es wurden 17 neue Zimmer geschaffen, die durch einen Wellnessbereich mit Sauna und Relaxzone ergänzt werden.
Von der Scheune führt eine Treppe zur unteren Etage, über die dann die neuen Zimmer erreicht werden können. Sie sind auf beiden Etagen (1. und 2. UG) gleich und überraschen sowohl hinsichtlich ihrer Ausstattung als auch ihrer Grösse. Der Eingangsbereich der Zimmer ist aus Holz (in dem die Schränke versteckt sind) und führt in einen grossen und hellen Raum von rund 25 Quadratmetern. Das Zimmer mit dem offenen Badbereich (mit Ausnahme der Toilette und des Bidets) ähnelt einer Suite. Die Fliesen mit Steineffekt stellen einen Kontrast zum chromatisch einheitlichen Eichenholzboden des Zimmers dar, während das weisse Aufsatzbecken aus Keramik an eine traditionelle Waschschüssel erinnert. Alle Einrichtungsgegenstände sind Massanfertigungen und in hellen, natürlichen Farben gehalten. Vor allem aber bietet das sich über die gesamte Breite erstreckende Panoramafenster (4,8 Meter breit) einen atemberaubenden Ausblick: «So weit der Blick reicht, nur Kiefernwälder, Weiden und Berge», sagt hierzu der Architekt Profanter. Zu jedem Zimmer gehört eine Terrasse mit einem Holzboden (im 2. UG grenzt sie direkt an die Wiese), die den Wohnraum nach aussen erweitert.
Vom Wellnessbereich, der sich im 1. Untergeschoss befindet, hat man die gleiche herrliche Aussicht wie von den Zimmern. Auf den weiterführenden Holzterrassen kann man sich in der wärmeren Jahreszeit sonnen und entspannen. Im Innenbereich formen 6 «Boxen» vollständig mit Holz ausgekleidete Ruhenischen: Sie ermöglichen den Gästen, die sich auf eine in den Boden «eingelassene» Matratze legen können, Privatsphäre und Ruhe. Designliegen runden die Einrichtung ab. Vom Wellnessbereich kann die Biosauna, die sich durch eine niedrigere Temperatur auszeichnet, erreicht werden. Sie kann ebenfalls als finnische Sauna genutzt werden und ist mit einem grossen Panoramafenster ausgestattet.
Im Dialog mit dem neuen Anbau
Der Umbau hat das bestehende Gebäude, in dem weiterhin das Restaurant Schönblick mit seiner traditionllnelen alpinen Küche untergebracht ist, nur geringfügig betroffen. Es ist jetzt jedoch mit den neuen Räumen verbunden, und die Hotelgäste können es über einen Aufzug direkt erreichen. Noa hat an der Gestaltung des neuen Hotels auf allen Projektebenen mitgewirkt – von der Konzeption und der Umsetzung der Architektur bis zu dem Design der Innenräume und der Einrichtung bis ins letzte Detail: Hier ist zum Beispiel das stilisierte Blumenmotiv zu nennen, das als Leitmotiv in der Rezeption und im Frühstücksbereich sowie im Wellnessbereich und sogar im Inneren der Sauna zu finden ist.
«Die Innengestaltung wurde bis ins kleinste Detail durchdacht. Wir haben natürliche Materialien und Stoffe bevorzugt, um eine gemütliche Atmosphäre zu schaffen: Das Eichenholz, das teilweise in seiner dunkelsten Nuance gewählt wurde, wird von den neutralen Tönen der Stoffe aus starken Rohfasern wie Leinen und Baumwolle flankiert. Die Möbel wurden mit dem Ziel gestaltet, maximalen Komfort und individuelle Lösungen zu gewährleisten», erklärt die Innenarchitektin Barbara Runggatscher, die diesen Teil des Projekts betreute.
Ein Beispiel für Funktionalität ist der Mehrzweckschrank im Aufenthaltsraum in der ehemaligen Scheune, der bei Bedarf in eine Frühstücksecke umgewandelt werden kann, aber auch für die Teepause am Nachmittag nützlich ist.
Als Hauptmaterial für die Innenarchitektur wurde Holz gewählt, und zwar für die Möbel (Tische, Stühle, Bänke, Betten, Schränke) sowie den Bodenbelag in allen Zimmern: Die Wahl fiel auf rustikales Eichenholz, was sich in der Verarbeitung der Möbel widerspiegelt. Bei den Stoffen lag das Hauptaugenmerk auf natürlichen Texturen und Farbnuancen, die perfekt mit dem Holz harmonieren. In den Zimmern wurde Filz für die Polsterungen gewählt, einfarbig oder mit geometrischen Mustern. Die Gardinen sind dagegen aus weich fallendem, feuerfestem Stoff, welche die nötige Privatsphäre gewährleisten und den Lichteinfall in den lichtintensiven Stunden verringern.
Das besondere Augenmerk auf ästhetische und funktionale Aspekte hat bei der Planung der Beleuchtung zu besonderen Lösungen geführt. Ein Beispiel hierfür sind die in der ehemaligen Scheune verwendeten grossen Hängeleuchten mit textilen Lampenschirmen, die hervorragend mit der Polsterung der Sessel und Sofas harmonieren und ein warmes und einladendes Licht erzeugen. Die Heizung und die Warmwasserbereitung werden mithilfe eines Pelletofens bewerkstelligt. ●
Bautafel
Standort Völs am Schlern, Südtirol (Italien)
Fertigstellung 2020
Bauherrschaft Gfell
Architektur und Interior-Design Noa (Network of architecture)
Eingriff Erweiterung
Volumen 6300 m3
Fläche 2000 m2