Klimaschutz beginnt bei der Materialwahl
Energieeffiziente Neubauten zu realisieren, ist eine riesige Herausforderung. Die Bauphysik kann dabei einen wichtigen Beitrag leisten.

Der Klimawandel ist eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit. Je nach Quelle werden rund 30 Prozent der klimaschädlichen Treibhausgase durch Gebäude respektive deren Betrieb verursacht. Die Bauphysik kann dazu beitragen, energieeffiziente Neubauten zu konstruieren. Entscheidend ist die Jahresbilanz: Eine Nullsumme bei der Energiebilanz ist ideal. Noch besser ist, wenn ein Gebäude mehr Energie erzeugt, als es selbst verbraucht. Neubauten künftig energieeffizienter zu bauen und den bestehenden Gebäudepark zu sanieren, fordert uns heraus. Die Bauphysik ist dabei zentral, weil es um Themen wie Energieverbrauch für Heizungen, sommerlichen Wärmeschutz, Luftdichtheit und Innenraumklima geht. Ausserdem rücken wir stetig näher zusammen, und die Mobilität verstärkt sich. Dabei steigen auch die Anforderungen an den Schallschutz – ein weiteres zentrales Thema der Bauphysik. Schallschutz wird im bevorstehenden CAS etwa ein Drittel ausmachen.
Hanspeter Kolb
Nennen Sie ein Beispiel eines Gebäudes, das quasi mehr Energie erzeugt, als es für den Eigenbedarf benötigt.
Beim neuen Schulhaus in Port ist das der Fall. Es wurde weitgehend als vorgefertigter Holzelementbau erstellt, und die hohen Anforderungen an die Nachhaltigkeit wurden seit Planungsbeginn berücksichtigt. Das Gebäude erzeugt dank Photovoltaikanlagen auf dem Dach genügend Strom für den Eigenbedarf und sogar noch so viel mehr, um den Jahresbedarf von rund 50 Haushalten in der Umgebung zu decken. Klimaneutralität ist keine Utopie – meiner Ansicht nach müsste eine Nullsumme für Neubauten normal sein. Es ist möglich und lohnt sich auch wirtschaftlich.
Welche Rolle spielt der Holzbau beim Klimaschutz?
Klimaschutz beginnt schon bei der Wahl des Materials. Idealerweise verwendet man Materialien, die vor unserer Haustür wachsen, zum Beispiel den Rohstoff Holz. Während es wächst, bindet es CO₂, die Transportwege sind kurz, und die Verarbeitung braucht verhältnismässig wenig Energie. Zudem ist Holz ein eher schlechter Wärmeleiter, was dazu führt, dass es sich warm anfühlt und die Wärmebrückenproblematik geringer ist als bei Beton und Stahl. Bleibt Holz trocken, ist es praktisch unendlich haltbar, hat also eine gute Dauerhaftigkeit. Am Ende des Prozesses kann es recycelt oder relativ einfach entsorgt werden, indem man es umweltgerecht verbrennt. All diese Punkte sprechen für den Baustoff Holz.
Was spielt bei der Planung heute eine wesentliche Rolle?
Der sommerliche Wärmeschutz – ebenfalls ein zentrales Thema in der Bauphysik – wird heute immer wichtiger. Wir möchten die Sommerhitze nicht in den Räumen haben respektive zumindest die Kühle der Nacht nutzen, um sie wieder «loszuwerden». Dabei spielen Baustoffe wiederum eine gewisse Rolle. Holz als eher leichter Baustoff ist da nicht gerade der Spitzenreiter. Je dichter ein Material ist, desto mehr Wärme kann es aufnehmen und wieder abgeben, wenn es kalt wird. Ich denke hier an Beton oder Backstein. Allerdings spielt die Verschattung eine viel wichtigere Rolle: Wie lässt sich die direkte Sonneneinstrahlung durch die zunehmend grösser werdenden Glasflächen verhindern und eine gute Nachtauskühlung der Bauten erreichen? Sommerlicher Wärmeschutz hat also viel mit der Architektur und dem Gebäudekonzept zu tun. Auch diese Themen werden im CAS Bauphysik angesprochen.
Warum ist es wichtig, dass Planende der Architektur, des Holzbaus und der Bauphysik Hand in Hand arbeiten? Können so die Vorteile des Materials Holz optimal genutzt werden?
Bauen wird zunehmend komplexer. Bei all den Themen, die sich vereinen, gibt es kaum jemanden, der überall durchblickt. Es ist also Teamwork angesagt. Und je früher alle Fachleute unter dem Lead einer cleveren Architektin oder eines Architekten zusammenarbeiten, desto besser kann optimiert werden und desto weniger geht vergessen. Dabei geht es nicht nur um den Holzbau, sondern um alle Bauthemen: Architektur, Materialwahl, Sicherheit, Energieeffizienz, sommerlicher Wärmeschutz, Schallschutz, Brandschutz, Haustechnik und andere mehr. Für Architektinnen und Architekten ist es zudem angebracht, das Einmaleins des Holzbaus zu kennen und zu wissen, dass zum Beispiel zu grosse Spannweiten im Holzbau nur mit viel Aufwand umsetzbar sind. Im CAS Bauen mit Holz können sich Architektinnen, Ingenieure und andere «Nichthölzige» dieses Wissen aneignen. Wir wünschen uns ausserdem, dass viele Menschen mit unterschiedlichen «Rucksäcken» zusammenkommen, gegenseitig voneinander lernen und die Perspektive wechseln.
Welche Rolle spielt dabei die Planung, wenn so viele Leute zusammenkommen?
Planung und Konzept sind absolut zentral. Zum Beispiel kann man beim Schallschutz darauf achten, dass lärmempfindliche Räume nicht neben lärmintensiven Räumen liegen oder dass bei angrenzenden Wohnungen Badezimmer unbedingt neben Badezimmer geplant werden. Ein grosser Vorteil von Holz ist zudem die Vorfertigung, das beschleunigt den Bauprozess. Bedingung ist allerdings, dass beispielsweise die Haustechnik rechtzeitig geplant wird, damit diese bereits im Werk integriert werden kann. Last-Minute-Anpassungen auf dem Bau, wie man sie unter anderem beim Massivbau manchmal sieht, liegen hier nicht mehr drin.
Mit dem CAS Bauphysik im Holzbau bieten Sie eine in dieser Form schweizweit einzigartige Weiterbildung an. Für wen eignet sich das CAS? Wer sollte diesen Lehrgang unbedingt besuchen?
Wir bieten dieses CAS seit 2013 an. Es eignet sich für alle Baufachleute, die sich in den angesprochenen Themen der Bauphysik in Kombination mit dem Holzbau weiterbilden oder sich auf den neuesten Stand bringen möchten – also für Fachleute aus Architektur, Holzbau, Bauphysik oder Haustechnik. Im Zentrum steht dabei immer der Holzbau mit all seinen bauphysikalischen Herausforderungen.
Hanspeter Kolb
Wie ist das CAS aufgebaut, und welche Themen dürfen die Studierenden erwarten?
Wir starten immer mit den Grundlagen zu den einzelnen Themen. Dabei behandeln wir überdies die neuesten Vorschriften und Normen und vermitteln so ein Update. Anschliessend folgen die einzelnen «Bauteile» wie Gebäudehülle (Aussenwand, Dach) und Raumtrennung (Trennwände, Geschossdecken). Hier stehen jeweils Themen wie Wärmeschutz oder Schallschutz im Zentrum. Gegen Ende versuchen wir, in Form von Workshops bei der Entwicklung von Anschlussdetails alles unter einen Hut zu bringen. Auch konzeptionelle Themen wie die schon angesprochenen Massnahmen des sommerlichen Wärmeschutzes oder Schnittstellen zur Haustechnik kommen zur Sprache. Das CAS ist also sehr breit und interdisziplinär aufgebaut. Im Oktober 2021 soll es übrigens vor Ort durchgeführt werden. Da sich der Distanzunterricht aber mittlerweile etabliert hat, können Interessierte ebenso hybrid teilnehmen und einzelne Stunden online besuchen. Ich sehe das als Chance, auch mal jemanden aus der Ostschweiz oder aus dem Engadin abzuholen, für den Biel recht weit weg ist.
Wie sieht der Praxisbezug in der Weiterbildung konkret aus?
Der Praxisbezug steht auf zwei Pfeilern. Erster Pfeiler: Fast alle Dozierenden kommen aus der Praxis. Ihr «Hauptberuf» ist Bauphysiker, und alle sind Spezialisten mit «hölzigem» Hintergrund auf ihrem Gebiet. Sie kennen Herausforderungen und Lösungen nicht nur theoretisch, sondern bringen enorm viel praktische Erfahrung aus ihrem Berufsalltag mit.
Zweiter Pfeiler: Die Teilnehmenden bringen ebenfalls einen Praxisbezug mit. Sie können zu Beginn eigene Bauprojekte aus ihren Büros vorstellen, die wir dann in Gruppen zu allen bauphysikalischen Themen während des Kurses bearbeiten. Dabei werden sie immer wieder von den Dozierenden betreut und beraten. Sie lernen aber auch viel, indem sie miteinander diskutieren – jeder bringt einen «eigenen Rucksack» an Erfahrungen mit. Interdisziplinäre und praxisbezogene Zusammenarbeit wird hier direkt umgesetzt. ●
CAS Bauphysik im Holzbau
Mithilfe der Bauphysik werden nachhaltige Gebäude konstruiert, geplant und gebaut, die einen niedrigen Energiebedarf aufweisen, eine gute Raumakustik haben und von Kondensations- und Schimmelpilzproblemen verschont bleiben. Im CAS Bauphysik im Holzbau lernt man, alle bauphysikalischen Aspekte beim Planen und Umsetzen von Holzbauten frühzeitig zu berücksichtigen – für mehr Komfort, Nachhaltigkeit, Qualität und Wettbewerbsfähigkeit.
Start 14. Oktober 2021

