Weiterbauen – Kapazitätserweiterung
Als Folgeauftrag zur erstmaligen Erweiterung im Jahr 2006 hat das Architekturbüro wbarchitekten die Kapazität des Observatoriums Zimmerwald mit zwei zusätzlichen Teleskop-Beobachtungsplätzen erweitert.

Ferien auf prächtigen Höfen, schlafen im Stroh, Stille der Natur. An Wochenenden pilgern Heerscharen von nebelgeplagten Städtern in die sonnigen Gebiete rundum Zimmerwald, einer Ortschaft im Kanton Bern. Weitblick macht das Längenberger Hochplateau zu einem Wanderparadies. Offene Felder bis gegen 1000 Meter über Meer prägen hier oben das Landschaftsbild; der Himmel scheint zum Greifen nahe. Und wirklich: In dieser bäuerischen Idylle wurden schon Kleinplaneten namens Mauderli oder Rumpelstilz in der Tiefe des Kosmos aufgestöbert, unbekannte Supernovas und Kometen entdeckt oder grosse Mengen Weltraumschrott lokalisiert, um Nutzsatelliten vor Aufprallschäden zu bewahren.Die Rede ist vom Observatorium Zimmerwald, einer Sternwarte am geografischen Nullpunkt der Schweiz. Sie bietet seit über sechzig Jahren für internationale Astronomieprojekte den Blick ins Universum, ist öffentlich nicht zugänglich und dennoch mit ihren zwei hinzugekommenen, futuristisch anmutenden Kuppelbauten spektakuläres Element inmitten dieser hoch gelegenen Landschaft. Zwei neue Teleskopgebilde, die nun die räumlichen und technischen Kapazitäten dieser Forschungsstation beträchtlichen Stellenwertes erweitern.
Regelmässig modernisiert
Seit der Errichtung durch das Astronomische Institut der Universität Bern (1956) wurden die Gebäude und Anlagen in regelmässigen Abständen modernisiert. Eine erstmalige Erweiterung fand im Jahr 2006 durch das Berner Architekturbüro wbarchitekten statt, das nun als Folgeauftrag die Kapazität der optischen Sensoren erweitert hat. Das bestehende Gebäude bot aufgrund der zunehmenden Projekte im Bereich der Weltraumschrottforschung (Space Debris) und Satellitenmessung zu wenig Platz; alternative Einrichtungen an anderen Standorten waren nicht vorhanden.
Die strengen funktionalen Vorgaben der Universität Bern leiteten dabei die Projektierung der zwei zusätzlichen Teleskop-Beobachtungsplätze, gaben etwa Kuppelgrösse und Form aufgrund der einzubringenden Messinstrumente vor. Und ebenso die Lage der beiden Bauten mit der planerischen Maxime der uneingeschränkten Sicht – mithin: diese in eine möglichst offene Disposition zu bringen.
Im Detail heisst das: freie Rundsicht ohne Sichteinschränkung oberhalb von zehn Grad über dem Horizont. Zugleich hatten die zwei Erweiterungsvolumen nicht allzu weit vom Bestandsgebäude abgesetzt zu sein, damit ihr Standort im Prinzip nicht einem neuen Observatorium entspräche und weitere Infrastruktur wie geheizte Aufenthaltsräume, Sanitäranlagen und Parkplätze sowie eine Vervielfachung der Betriebs- und Personalkosten bedeutete.
Die zwei Volumen, die in ihrer aussergewöhnlichen Gestalt anmuten, als dienten sie der Kulisse eines Fantasie-Epos, loten daher den Abstand sowohl zur bestehenden Anlage wie auch zu den Baumbeständen präzise aus. Zudem liegt ihr Standort aufgrund der freien Rundsicht ausserhalb der Fruchtfolgefläche, die sich östlich unterhalb des Observatoriums befindet. Nach wie vor weist Zimmerwald eine gesunde ländliche Siedlungsstruktur auf. Die Integration in den ländlichen Kontext ist neben der möglichst Flächen schonenden Anordnung denn auch ein zentraler Konzeptpunkt.
Der vorhandene Weg verbindet die beiden in einer Reihe stehenden Kuppelbauten mit dem Bestandsgebäude und bildet zugleich deren Zugang. Das Weideland bleibt belassen. Die Weide kommt bis an die befestigte Fläche (eingefärbter Asphalt) der beiden Eingänge heran. Die braune Farbe des Jura-Kieses sucht die optische Verbindung zu den Strohballen, die sommers die Felder verzieren. Sowieso ist eine der umgesetzten Entwurfsprämissen die Verbindung von ruraler Landschaft, ländlichem Kontext und Hightech-Forschung, wie sie auf dem wissenschaftlichen Feld der Astronomie betrieben wird. Ein Gegensatz, den wbarchitekten als Besonderheit dieser Aufgabe auch in der Fassade bzw. Gestaltung der Gebäudehülle zum Ausdruck bringen. Die adäquate Materialisierung für das Rurale abzubilden fand das Büro im Material Stampfbeton, der eine Wiederaufnahme alter Verarbeitungstechniken, kombiniert mit neu entwickelten Anschlussdetails, zur Folge hatte.
Der Stampfbeton kontrastiert farblich die beiden Kuppeln, die über eine weisse Kunststoffhaut verfügen, und ihre bei geöffnetem Zustand ersichtlichen Teleskope. Zu den Kuppeln, die mit unterschiedlichen Durchmessern ausgestattet sind, passen die ebenso weiss gestalteten Stahltreppen an den beiden fensterlosen Gebilden, denn natürliches Licht ist während des teleskopischen Betriebes nicht gefragt. Und Öffnungen in der Hülle hätten eine statische Schwächung bedeutet.
Der Grundriss ist funktional aufgebaut. Im Obergeschoss organisieren sich die eigentlichen Beobachtungsplätze mit den Messinstrumenten. Die vollautomatisch gesteuerten Teleskope stehen dabei auf einem unabhängigen Sockel, sodass keine Schwingungen vom Gebäude auf die Instrumente übertragen werden. Der Betrieb ist auch des Nachts aktiv, weshalb ein wichtiges planerisches Augenmerk auch auf die Beleuchtung fiel. Im Erdgeschoss, über das der Zugang zum jeweiligen Kuppelbau erfolgt, ist die Technik in einem offenen räumlichen Setting untergebracht. Die Raumgeometrie der neuen Volumen leitet sich aus der Nutzung ab, ihre Höhe aus den Sehwinkeln.
An der bestehenden Anlage wurden teils Unterhaltarbeiten ausgeführt. Das gesamte Ensemble, das nun den Anforderungen gerecht wird, welche die anzugehenden Astronomie-Projekte stellen, steht als kontemplatives, geheimnisvolles Gebilde auf dieser weiten landschaftlichen Ebene. Ein Gebilde, das sich in mehreren Elementen aufreiht, Blicke nicht hineinlässt, aber das eigene Schauen in ihrem Innern nach ganz weit draussen richtet. Eine passende Architektur für eine nicht ganz alltägliche Nutzung, die zwischen archaischen und futuristischen Bildern oszilliert, sich mit dem ländlichen Kontext verbindet und sich zugleich davon abhebt – hinauf ins Mysterium des Weltalls. ●
Bautafel
Bauherrschaft Astronomical Institute, University of Bern
Architektur wbarchitekten eth sia, Bern
Bauingenieur weber + brönnimann ag, Bern
Bauphysik Marc Rüfenacht, Bern













