Süsse bauliche Köstlichkeit
Der Hauptsitz von Lindt & Sprüngli in Kilchberg bekommt eine neue edle Kreation. Ein von Christ & Gantenbein entworfener Erlebnisbau erweitert das historische Fabrikgelände um Modernität und Multifunktionalität.

Nahe dem Zürichsee befindet sich der Hauptsitz des 1845 gegründeten Chocolatiers Lindt & Sprüngli. Getreu der Vielfalt eines Pralinensortiments sind verschiedene «Geschmacksrichtungen» auf dem Areal in Kilchberg zu finden. Eine Fabrik, Lagerhallen und ein Bürogebäude sind Teil der baulichen Komposition. Der neue von Christ & Gantenbein kreierte multifunktionale Erlebnisbau «Lindt Home of Chocolate» vervollständigt dieses Ensemble seit diesem Jahr. Damit werden interne Produktionsabläufe sichergestellt und um publikumswirksame Funktionen ergänzt.
Einladende Geste
Der Neubau setzt einen modernen Kontrapunkt zu den historischen Fabrikbauten, ohne sich der traditionellen Bauweise zu entledigen. Mit der roten Backsteinfassade fügt sich der Neubau harmonisch in den Gebäudebestand ein. Die geschwungene, südöstlich gelegene Eingangsfront bricht mit der übrigen klassischen industriellen Kubatur. Der Anschnitt des Baukörpers erzeugt einen neuen öffentlichen Platz vor dem Portal des «Lindt Home of Chocolate». Diese freundliche, einladende Geste setzt sich in den weiss glasierten Ziegelsteinen fort und wird mit der goldenen Firmeninschrift veredelt.
Mit Ästhetik und Erlebnis befüllt
Neben dem Erweiterungsbau des Landesmuseums Zürich ist das Gebäude in Kilchberg bereits der zweite prominente Kulturbau im Kanton Zürich von Christ & Gantenbein. Ähnlichkeiten sind unter anderem bei der Materialisierung und in der innenräumlichen Inszenierung nicht von der Hand zu weisen. Zentraler Schauplatz ist das weiträumige, sich auf 64 Meter Länge, 13 Meter Breite und 15 Meter Höhe erstreckende Atrium. Die durch den Sichtbeton puristisch anmutenden Innenräume erzeugen im Zusammenspiel mit der Formgebung einen für museale Bauten unabdingbaren Spannungsbogen. Es entsteht ein Spiel aus Addition und Subtraktion kreisförmiger Elemente. Jene für die Oberlichter angefertigten Aussparungen tauchen vermeintlich als addierte Scheiben im Bereich der Stützen- oder wendelförmigen Treppenkonstruktionen erneut auf. Die in Reihe angeordneten Stützen geben Struktur. Durch die zum Teil darin integrierten Aufzüge dienen sie der Bewegung im Gebäude. «Das Tragwerk im Innern besteht im Wesentlichen aus einer Ortbeton-Skelettstruktur. Im Bereich des Atriums werden die tragenden Teile zu multifunktionalen Elementen: So mutieren Pilzstützen zu ausladenden Balkonen, und hohle Säulen enthalten Lifte sowie Steigzonen für Leitungen. Auch schwingen sich grosszügig dimensionierte Wendeltreppen um diese vertikal tragenden Bauteile», erklärt Bauingenieur Jürg Conzett vom Churer Büro Conzett Bronzini Partner.
Im Zeichen der Kugel
Im Kontrast zur klassisch interpretierten «Verpackung» lassen sich im Innern des Neubaus neben der reinen Architektur museale Kreationen bestaunen. Erreichbar sind diese über Wendeltreppen sowie Stege, und sie harmonieren ideal mit der Leinwand aus Sichtbeton. Atelier Brückner schuf das Design für die 1500 Quadratmeter grosse Ausstellung, die sich mit der Geschichte und der Herstellung von Schokolade befasst, samt dem im Zentrum positionierten, neun Meter hohen vergoldeten Schokoladenbrunnen. Rund 1000 Liter flüssige Schokolade befindet sich darin im Umlauf, die von einem grossen schwebenden Schwingbesen in die Lindor-Kugel fliesst. Generell sind die berühmten Kugeln überall präsent und ein gern genutztes Sujet bei der Innenraumgestaltung. Die individuell geschmückten Ausstellungsräume greifen jeweils einen Aspekt aus der Welt der Schokolade auf. So bekommen die Besuchenden unter anderem Einblick in den Anbau von Kakao auf einer Plantage in Ghana. Auch die Entdeckung des Conchierverfahrens durch Rodolphe Lindt wird thematisiert. Der Raum «Swiss Pioneers» zeichnet die bedeutungsvolle Geschichte der zartschmelzenden Versuchung in der Schweiz nach, in der auch die Eröffnung der ersten Schokoladenfabrik 1819 durch François-Louis Cailler in Vevey eine wichtige Rolle einnimmt. Visuell untermalt wird das mit einem weissen Kreuz auf rotem Boden und durch die Präsentation verschiedener Schweizer Schokoladenpioniere wie Rudolf Sprüngli oder Henri Nestlé. Verschiedenste Arten der Informationsvermittlung wie Film oder Augmented Animation gewähren zudem Einblick in die Unternehmensgeschichte und die Produktionsabläufe. Forschungs- und Entwicklungsräume, Produktionsanlage, Café und Büros sowie ein Retail Store runden das Nutzungsprogramm ab. «Lindt Home of Chocolate» kredenzt traditionelle Backsteinbauweise mit modernen Formelementen, Ästhetik und Multifunktionalität im Sinne der Öffentlichkeitswirksamkeit. Der seit 1899 bestehende Produktionsstandort erfährt dadurch eine sinnvolle und gelungene Ergänzung. Wären Gebäude Pralinenschachteln, würden sie womöglich jener baulichen Konzeption in Kilchberg folgen. Schleife drum. ●
Bautafel
Objekt Lindt Home of Chocolate
Standort Kilchberg
Realisierung 2014 bis 2020
Bauherrschaft Lindt Chocolate Competence Foundation
Architektur Christ & Gantenbein
Bruttogeschossfläche 21 540 m²
Gebäudemasse 93 × 45 × 21 m (L ×B ×H)






