Sport- und Freizeitbauten – Neue urbane Typologie
Nach Entwurf der gmp · Architekten von Gerkan, Marg und Partner ist in Potsdam das neue städtische Sport- und Freizeitbad «blu» fertiggestellt worden.

Landschaft oder Stadt? Gleich mehrfach stellte sich diese Frage während der langen und wechselhaften Planungsgeschichte des neuen Sport- und Freizeitbades in Potsdam. Während sich der zentral gelegene Standort am Fuss des Brauhausberges schliesslich 2012 in einer Bürgerbefragung gegenüber der Peripherie durchgesetzt hatte, blieben die stadträumlichen Leitbilder für diesen Ort auch nach mehreren städtebaulichen Überplanungen ambivalent.Die Entscheidung für eine dezidiert urbane Konzeption, die für eine Lage unmittelbar gegenüber dem Potsdamer Hauptbahnhof evident scheint, wurde schliesslich 2013 im Architekturwettbewerb zu dem Projekt getroffen. Diesen konnte gmp mit einem Entwurf gewinnen, der sich durch klare Raumkanten, sinnvolle Orientierungen der Innen- und Aussenräume sowie gezielte visuelle Bezüge zur näheren und weiteren Umgebung auszeichnet. Die umliegenden Stadträume, auf die sich die Architektur des Bades bezieht, sind bei dessen Eröffnung erst im Entstehen begriffen, wie die zum Projekt gehörende Freiraumachse mit Vorplatz im Osten oder die rückwärtig gelegene Liegewiese des Bades. Gleiches gilt für die Bebauung des Quartiers der Speicherstadt, die im Norden an die geschwungene Bauflucht der Eingangsfassade anschliessen wird, sowie den projektierten weiteren Bauabschnitt im Süden.
Sportbad, Freizeitbad, Sauna- und Wellnessbereich sind in einem kompakten, im Grundriss nahezu quadratischen Bauvolumen mit fast 8000 m² Nutzfläche zusammengefasst. Zwei in die Gesamtkubatur eingestellte geschlossene Volumen für die Service- und Umkleidebereiche, zwischen denen die zentrale ost - west-ausgerichtete «Magistrale» verläuft, zonieren die beiden grossen Räume des Sportbades und des Freizeitbereichs. Mit dieser Disposition ist an jedem Punkt innerhalb des Bades eine eindeutige Orientierung gegeben, alle Nutzungen sind über kurze Wege erschlossen und lassen sich unabhängig voneinander betreiben. Besucher und Nutzer betreten das Bad vom Vorplatz in der Achse der Magistrale, sodass sich ihnen gleich der Durchblick bis zur Liegewiese eröffnet. Die weiträumige Badelandschaft des Freizeitbades mit Reifen- und Wellenrutsche, Erlebnisbecken mit Wasserfall, Kletterwand, Sprudelliegen und Strömungskreisel sowie angeschlossener Gastronomie ist nach Westen gerichtet. Das Sportbad mit zehn Bahnen im 50-Meter-Becken und einer Tribüne mit 400 Sitzplätzen entspricht nationalen Standards für Schwimmsport und Wasserball. Es orientiert sich nach Osten. Vor Einblicken geschützt, mit wenigen gezielten Ausblicken, ist der Saunabereich mit Dachgarten im obersten Geschoss entwickelt. Hinzu kommen einzelne Themenbereiche wie zum Beispiel die Kaminlounge und der Meditationsgarten. Am Gelenkpunkt zum Wellnessbereich für Massagen und Anwendungen liegt die Saunabar. Nach aussen werden die verschiedenen Nutzungen innerhalb des Bades durch grosse Öffnungen in den Fassaden ablesbar. Dagegen sind die geschlossenen Fassadenbereiche, die den Bau wie ein mäanderndes Band umschliessen, einheitlich mit einem robusten mineralischen Naturputz versehen. Auch die Haustechnik ist in das Volumen des Baukörpers integriert, sodass keine Aufbauten die vom Brauhausberg aus sichtbare fünfte Fassade stören.
Mit seiner hohen Besucherfrequenz kommt dem Stadtbad eine Schlüsselstellung zu, um die Qualitäten und den Charakter eines traditionsreichen Ortes für Sport und Freizeit innerhalb des neuen Stadtquartiers zu bewahren. Daher bildet die erst durch die kompakte Bauweise gewonnene öffentliche Freiraumachse einen integralen Teil des Projekts: Mit ihr bleibt der Brauhausberg weiterhin für die Bürger Potsdams als öffentlicher Raum erlebbar.
Sportbad und Lehrschwimmbecken
Im Sportbad dient das 1250 m² grosse Sportbecken, zertifiziert nach FINA C, für Wasserball und Schwimmsport (Schul- und Vereinssport und öffentliches Schwimmen). Zu Wettkampf- und Trainingszwecken oder mehreren parallelen Nutzungen können die Schwimmbahnen sehr flexibel eingeteilt werden: in zehn bis zwölf Längsbahnen oder 22 Querbahnen. Die Tribüne bietet 400 Plätze und ist barrierefrei erreichbar. Den gebäudehohen Hallenraum überspannen 33 Meter lange Brettschichtholzbinder, zwischen denen in zwei Reihen Oberlichter angeordnet sind. Das kleinere Lehrschwimmbecken ist mit einem höhenverstellbaren Varioboden ausgestattet, mit dem die Wassertiefe zwischen Null und 1.80 m verstellt werden kann. Ein Fliesenmosaik in diesem Bereich ist als Reminiszenz an das alte Schwimmbad am Brauhausberg dem entsprechenden Vorbild aus dem Vorgängerbau nachempfunden.
Freizeitbad
Das Freizeitbad ist als weiträumige Badelandschaft mit einer Vielzahl von Attraktionen gestaltet. Zum Badebereich gehören ein um den Stützenwald des Raums herum mäanderndes Freizeitbecken mit rund 300 m² Wasserfläche sowie ein geschützter separater Kleinkinderbereich. Darüber hinaus besteht vom Freizeitbad direkter Zugang zur Liegewiese. Die Räume der Schwimmaufsicht liegen zwischen Sport- und Freizeitbad, sodass von dort sämtliche Schwimmbecken beider Bereiche direkt einsehbar sind. Im ersten Obergeschoss wird der Freizeitbereich durch Gastronomieeinrichtungen ergänzt.
Wellnessbereich
Der Sauna- und Wellnessbereich befindet sich auf der obersten Gebäudeebene, die vom Umkleidebereich im ersten Obergeschoss über eine Brücke durch den Luftraum der Magistrale erschlossen wird. Parallel zur Raumflucht verläuft hier der ost-west-ausgerichtete Saunagarten, sodass sich entlang dieser Achse verschiedene thematische Verknüpfungen von Innen- und Aussenräumen ergeben, unter anderem mit einem 20-Meter-Aussenschwimmbecken. Über definierte Einschnitte in die Fassade eröffnen sich weitergehende Blickbeziehungen über die Potsdamer Kulturlandschaft, nach Babelsberg und über die Havel. Demgegenüber ist der atriumartige Aussenbereich vor Einblicken vom Brauhausberg geschützt und öffnet sich ausschliesslich nach Westen zum Grünraum auf dem Brauhauskeller.
Bautafel
Bauherr Stadtwerke Potsdam GmbH, Potsdam (D)
Architektur gmp · Architekten von Gerkan, Marg und Partner, Hamburg (D)
Bau- und Kostenmanagement emproc BPM, Berlin (D)
Technische Gebäudeausstattung b.i.g. bechtold Ingenieurgesellschaft mbH, Berlin (D)
Tragwerk HMI Hartwich/Mertens/Ingenieure Planungsgesellschaft für Bauwesen mbH, Berlin (D)
Aussenanlagen capatti staubach – Urbane Landschaften, Berlin (D)
Bauphysik und Brandschutz Müller-BBM GmbH, Planegg (D)
Bau- und Raumakustik Ingenieurbüro vRP – von Rekowski und Partner mbB, Weinheim (D)
Sicherheits- und GesundheitskoordinatorGenthe Bauingenieure GmbH, Berlin (D)











