Mobilität trifft Architektur

Ein neues Tor zum Zentrum von Brixen in Südtirol ist die jüngste Ergänzung der Umgehungsstrasse Brixen–Varna. Das von MoDusArchitects entworfene infrastrukturelle Landschaftsprojekt besteht aus einer Reihe von miteinander verbundenen, weitgehend unterirdisch verlaufenden Strassen.

Ringstrassenprojekt
Eine geschwungene Form definiert die nach Osten gerichtete skulpturale Mündung des neuen Portals.
Von Maria Azzurra Rossi (Text) und Gustav Willeit, Leonhard Angerer (Bilder)
Ein neues Tor zum Zentrum von Brixen in Südtirol ist die jüngste Ergänzung der Umgehungsstrasse Brixen–Varna. Das von MoDusArchitects entworfene infrastrukturelle Landschaftsprojekt besteht aus einer Reihe von miteinander verbundenen, weitgehend unterirdisch verlaufenden Strassen.

Der neu eröffnete zentrale Knotenpunkttrakt der Ringstrasse ist jener Abschnitt des Projekts, der wieder an die Hauptverkehrsstrasse der SS12 in der Nähe des Brixner Stadtzentrums anschliesst. Von der Umgehungsstrasse aus erreicht man einen Kreisverkehr und durchquert einen kurzen u-förmigen Tunnel mit zwei Portalen in Sichtbeton, um zu einer verschobenen Achse mit der Via Roma zu gelangen – der Hauptstrasse, die direkt in die Stadt führt. Eine geschwungene Form definiert die nach Osten gerichtete skulpturale Mündung des neuen Portals. «Hoch- und Tiefbauprojekte bieten eine einzigartige Gelegenheit, die verschiedenen Massstäbe – und bisweilen gegensätzlichen Besonderheiten – von Infrastruktur, Landschaft, Architektur und städtischem Dekor zusammenzubringen. Das Ringstrassenprojekt unterstreicht die Gegenseitigkeit dieser Disziplinen als eine einzigartige gestalterische Herausforderung, nicht nur angesichts der ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Projekte, sondern auch als Modell für kleine Städte, die sich mit Fragen der Mobilität, des Kulturerbes und der Platzgestaltung auseinandersetzen», bekräftigt der Architekt Sandy Attia, Mitbegründer von MoDusArchitects.

Einheitlicher, konsequenter Designansatz

Die erstmals 2012 eingeweihte, fünf Kilometer lange Umgehungsstrasse um das historische Stadtzentrum von Brixen, die in den Norden von Varna führt, wurde in dem Bestreben geplant, Staus zu vermeiden, die Umweltverschmutzung zu verringern und die Zufahrt von Norden zur südlichen Leichtindustrie der Stadt zu erleichtern.

Der Entwurfsauftrag sah eine Reihe von Eingriffen wie Tunnelportale, Stützmauern, Lärmschutzwände, Umspannwerke, mechanische Strukturen, Belüftungsschornsteine und verschiedene Beschilderungselemente über die gesamte Länge vor. Die Architekten versuchten, die technische Qualität mit einem architektonischen Ausdruck zu kombinieren. Deshalb wurde ein einheitlicher, konsequenter Designansatz gewählt und auf die Besonderheiten der unmittelbaren Standortbedingungen abgestimmt.

Schwelle zwischen unter- und oberirdisch

Das Projekt nutzt komplementäre Elemente, die integraler Bestandteil eines Tunnelsystems sind – als neue Eingänge wurden die zentralen Tunnelportale gestalterisch ausdrucksstark hervorgehoben. Die Betonmaterialien des neuen Zubaus bestehen aus Zuschlagstoffen und Ausbruchmaterialien, die von der Baustelle des 64 Kilometer langen Brenner-Basistunnels stammen, der die Alpen von Innsbruck bis in das italienische Fortezza unterquert. Zusammen mit Sichtbeton, Lärchenholz-Lärmschutzwänden und Lüftungskaminen aus Cortenstahl bilden die Portale wichtige Bereiche der architektonischen Gestaltung: Sie liegen im Schnittpunkt von Landschaft, Infrastruktur und Mobilität. Sie markieren zudem die Schwelle zwischen unterirdisch und oberirdisch, werden Teil der Stadtlandschaft von Brixen und bestimmen auch die flüchtige, motorisierte Erfahrung.

Endgültiger Verlauf

Besondere Aufmerksamkeit widmeten MoDusArchitects den Lärmemissionen. Viele Konstruktionselemente wie die Leca-Betonmauern sind im Sinne der Schallabsorption. Die Forschung an einer Neukonfiguration der im Strassenbau häufig verwendeten Materialien brachte Lösungen hervor, um diesen Umweltbelangen besser gerecht zu werden. «Die Rolle, die Architekten bei grossen Infrastrukturprojekten spielen, wurde in den letzten Jahrzehnten in Italien zunehmend an den Rand gedrängt: Die bemerkenswerte Dichte und Schichtung der historischen und natürlichen Kontexte des Landes stellen einzigartige und dringende Herausforderungen dar, denen sich die öffentliche Verwaltung stellen muss. Die Ringstrasse in Südtirol wird von bewussten Entscheidungsprozessen getragen, welche die Bedeutung von Design in jeder Grössenordnung begreifen und als solche die Voraussetzungen für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit schaffen», erklärt Matteo Scagnol, ebenfalls Mitbegründer von MoDusArchitects.

Der letzte Abschnitt der Umgehungsstrasse, der bis 2025 fertiggestellt wird, wird die Intervention bis zu ihrem endgültigen Verlauf über eine Gesamtlänge von acht Kilometer am Stadtzentrum von Varna vorbeiführen.

modusarchitects.com

Bautafel

Projekt Zentraler Knotenpunkt der Ringautobahn Brixen–Varna

Standort Brixen (Italien)

Realisierung 2017 bis 2020

Architektur MoDusArchitects

Bauherrschaft Abteilung für Infrastruktur und Mobilität der Autonomen Provinz Bozen

Ringstrassenprojekt
Ringstrassenprojekt
Ringstrassenprojekt
Ringstrassenprojekt portal
Portal von Varna zur SS12
Ringstrassenprojekt portal
Portal zum Stadtzentrum von Varna
Ringstrassenprojekt portal
Südliche Einfahrt von Brixen
Ringstrassenprojekt chimney
Belüftungsschornsteine
Ringstrassenprojekt centraljuncture
Lärmschutzwände
Ringstrassenprojekt chimney long
Schnitt durch Tunnel und Belüftungsschornstein
Ringstrassenprojekt plan
Lageplan
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