Im Wechselspiel

Der Erweiterungsbau des Aargauer Kunsthauses von Herzog & de Meuron wurde einst zum städtebaulichen Bindeglied. Die Neugestaltung des Foyers und moderne künstlerische Applikationen an der Fassade unterstreichen dies.

Das Museum kommuniziert in die Stadt und die Stadt wiederum in das Museum. (Fotos: Holger Jacob)

Nachdem das Aargauer Kunsthaus an sein Fassungsvermögen gelangte, erhielt es 2003 einen von Herzog & de Meuron geplanten Erweiterungsbau, der sich als städtebaulicher Kniff entpuppt. Denn dieser ist als erhöhte begrünte Stadtterrasse konzipiert und fungiert gleichwohl als topografische Architektur. Als historische Vorbilder dienten dafür unter anderem der Sockel der Albertina in Wien, die Gewächshausterrassen beim Schloss Sanssouci in Potsdam oder die Terrasse der Villa Doria in Rom. Der erhöhte Platanenplatz vor dem benachbarten Grossratsgebäude ist ein solches topografisches, landschaftsgestalterisches Element, das im als Stadtterrasse ausgebildeten Erweiterungsbau eine logische Ergänzung und Vervollständigung fand. Das Foyer des Erweiterungsbaus entstand seiner Zeit als künstliche Höhle oder Grotte mit Referenz auf die Gartenarchitektur. Es formuliert die Schnittstelle zwischen Parkende, Übergang zur Altstadt und Innenraum des Museums.

Grünes Glas charakterisiert den Aufgang in den Park.

Weiterentwicklung

Im Zuge von Sanierungsmassnahmen bei den Ausstellungsräumen kam es 2023 zur Neugestaltung des Foyers. «Herzog & de Meuron lassen ihre Bauten nicht einfach los. Sie sind daran interessiert, wie sie sich weiterentwickeln. Die Sanierung ermöglichte die Auffrischung des Foyers und den Übergang zwischen Innen- und Aussenraum noch fliessender zu gestalten», erklärt Christina Omlin vom Aargauer Kunsthaus das Engagement des Architekturbüros und den dadurch nahezu logisch erscheinenden Optimierungsbedarf am und im Gebäude. Das sachlich weisse Mobiliar entsprach nach 20 Jahren den aktuellen Bedürfnissen nicht mehr ganz. Man wünschte sich mehr Aufenthaltsqualität. «In mehreren Bereichen im Foyer entstand Leben. Was vorher etwas kühl wirkte, lädt nun zum Verweilen ein», sagt Omlin. Umgebaute und neue Möbel aus Holz oder rezykliertem PET, wärmeres und vielfältigeres Licht, Teppiche, Vorhänge und einzelne Farbakzente verleihen dem Raum eine wohnlichere Atmosphäre. Arbeitstische, Sofas und Lounge Chairs ergänzen die klassischen Bistrotische. Es entstehen kleinere Orte, die sich für Konzentration oder für Austausch anbieten. Die originale schwarze Stahltreppe im signalweissen Raum zählt zu den ikonischsten Elementen des Foyers. Die neuen, schwarz-weissen Möbel nehmen dies im feineren Massstab auf.

Die Sanierung ermöglichte die Auffrischung des Foyers.

«Oh du Farbliche»

«Die zweite Wendeltreppe hat eine ähnlich starke Symbolkraft. Sie zitiert einerseits die bestehende Treppe im Foyer und schafft gleichzeitig die Verbindung zwischen Innen- und Aussenraum. Gegen unten ins Untergeschoss des Kunsthauses, gegen oben auf die offene Dach-Terrasse», sagt Christina Omlin. Bisher durch grünes Glas charakterisiert, bildete sie auch den Aufgang in den Rathauspark und zu den Gebäuden der angrenzenden Kantonsbibliothek. Der Abgang nach unten ist neu komplementär in Magenta gestaltet. Es unterstreicht die Bedeutung des hohen, verglasten Foyers als zentralen mit der Bevölkerung interagierenden Gebäudebereich des Aargauer Kunsthauses. Das Museum kommuniziert darüber in die Stadt und die Stadt wiederum in das Museum. Das häufig auftretende Wechselspiel ist stilprägend.

Der Abgang nach unten ist neu komplementär in Magenta gestaltet.

Höflichst

Das bestehende Aargauer Kunsthaus verfügt heute über eine klare Anordnung unterschiedlich belichteter Ausstellungsräume: eine Etage mit Oberlicht im ersten Obergeschoss, eine Etage mit seitlichem Licht im Erdgeschoss und eine Etage mit künstlichem Licht im Untergeschoss. Für die Kuratoren ist eine Vielfalt unterschiedlicher Ausstellungskonzepte und Unterteilungsmöglichkeiten der Ausstellungsfläche möglich. Der verglaste Innenhof wird dabei zum Zentrum des neugestalteten Aargauer Kunsthauses, indem es diesem als Lichthof für die erdgeschossigen Ausstellungsräume dient. Teile der Fassaden des Innenhofs können durch den Einbau von modularen Wänden komplett abgedunkelt werden. Der Innenhof erfuhr während der Sanierung keine Veränderungen. Jedoch übernimmt dieser die aus dem Foyer bekannte Wechselwirkung von Innen- und Aussenraum für die Inszenierung der Ausstellungen. Die Verglasung als Trennungselement erlaubt mithilfe einer Folienbeschichtung dramaturgische farbliche Justierungen und den Einbezug des Hofraumes in das Ausstellungskonzept. «Was eine derartige Fassade zu leisten vermag, ist beeindruckend», sagt Omlin. Das Erlebnis wird damit nach aussen in den Innenhof erweitert. Jenes Wechselspiel eröffnet Kunstschaffenden neue Möglichkeiten. «Die aktuell ausstellende Künstlerin Pauline Julier ist Videokünstlerin und Filmemacherin. Der Innenhof ist in die Szenografie ihrer Arbeiten mit einbezogen. Die gelbe Glasfolie suggeriert die leicht dämmerige Stimmung eines beginnenden Sonnenuntergangs, die Liegestühle im Innenhof bieten den Ruhepol, den manche Besuchende in der Hälfte der Ausstellung angelangt zu schätzen vermögen», erklärt Omlin. Die derzeitige gelbe Glasfolie suggeriert einen Sonnenuntergang und unterstützt diesen Prozess. Die Sonne in Aarau hingegen geht täglich am Aargauer Kunsthaus auf. ●

Der Innenhof dient als Lichthof für die erdgeschossigen Ausstellungsräume.
Die derzeitige gelbe Glasfolie suggeriert einen Sonnenuntergang.
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