Hotels und Restaurants – Inszenierung des Miteinanders
Die Abtei Michaelsberg bei Siegburg (D) ist von msm meyer schmitz-morkramer mit Gespür für Material zu einem Tagungsort mit Hotel umgebaut worden.

In die Höhe und in die Tiefe
Besucher sehen den Michaelsberg meist schon von Weitem aus dem flachen Umland aufragen, das letzte Stück des Weges führt aus der Siegburger Innenstadt direkt auf den neuen Vorplatz. Von hier aus betrachtet, sitzt die imposante Abtei immer noch gut 17 Meter höher auf mächtigen mittelalterlichen Stützmauern. Sozusagen zu ihren Füssen steht nun zwar eigenständig, aber dennoch untergeordnet der Neubau, das sogenannte Forum. Der Stadt wendet er seine schmale Kopfseite zu. Doch nicht nur mit dem Bild von Berg, Fels und Stein haben sich die Architekten intensiv auseinandergesetzt, sondern auch mit ihren speziellen Materialeigenschaften. Denn wer auf Fels baut, der baut zwar prinzipiell sicher, muss jedoch aufwendig gründen. 90 bis zu 15 Meter tiefe Bohrpfähle wurden parallel zum Westflügel der Abtei in den Fels eingelassen, um den Boden für das Forum zu bereiten und den Bestand zu schützen. Davon sieht man heute natürlich nichts mehr. Und doch scheint der Neubau direkt aus dem Fels zu wachsen, seine Hülle aus hellgrau-sandfarbenem Wachenzeller Dolomit, der im Sockel zunächst eine rohe, gespaltene, dann als Gebäudehülle eine glatte, geschliffene Oberfläche zeigt, knüpft direkt an die Topografie des Ortes an, möchte kein Fremdkörper sein. Und so verschwinden auch die Autos der Mitarbeiter und Besucher in einer zweigeschossigen Garage im Sockel des Gebäudes, der Platz davor greift historische Elemente wie den Rosengarten in seiner Gestaltung auf.
Doch anders als der wehrhafte Sockel der Abtei öffnet sich die steinerne Basis des Forums mit einer wie ins Massiv eingeschnitten wirkenden Eingangshalle. Die letzten Höhenmeter dürfen die Besucher mit einer Fahrt im Glasaufzug überwinden, die – und so viel Schau ist an dieser Stelle durchaus gerechtfertigt – in einem ebenfalls gläsernen Pavillon endet und die Sicht auf die Stadt, bis nach Bonn und auf das Siebengebirge freigibt. Sehr deutlich haben msm meyer schmitz-morkramer die Fuge zwischen den beiden Baukörpern, dem neugebauten Forum und der historischen Abtei, inszeniert, die sie als respektvolle Distanz beschreiben. Die Trennung zwischen Alt und Neu bleibt scharf, überwunden wird sie an nur zwei Stellen mit schmalen verglasten Brücken.
Das KSI begrüsst seine Besucher nach dieser dramatischen Hinführung schliesslich in einem grosszügigen zweigeschossigen Atrium mit offenem Treppenhaus in der Abtei. Dieser Empfangsbereich, der auch als Lobby und Treffpunkt geplant und eingerichtet wurde, erschliesst durch seine nun zentrale Lage alle Bereiche der Anlage. In drei der vier Flanken der Klosteranlage, die die Kirche umschliessen, befinden sich auf zwei Etagen, ausser dem Anno-Saal, Seminarräumen und dem Studio, 121 Gästezimmer. Obwohl sie auch unabhängig von den Angeboten des KSI zur Übernachtung gebucht werden können, war es Architekten und Bauherren wichtig, hier eine Atmosphäre entstehen zu lassen, die nicht an ein gewöhnliches Hotelzimmer erinnert. Schon der Eintritt in die ehemaligen Zellen wird durch die immense Wandstärke zum Teil der Geschichte, die dieses Haus erzählt. Die Zimmer, als Einzel- oder Doppelzimmer eingerichtet, wirken frisch und modern, klösterlich ist hier der bewusste Verzicht auf Unnötiges. Umso wirkungsvoller ist auch hier der Umgang mit Material, hellem Eichenholz für die von den Architekten entworfenen Möbel und die Reduktion auf drei Farben, Mitternachtsblau, Ochsenblutrot und Senfgelb, die sich in unterschiedlichen Kombinationen als Akzente eingesetzt in jedem Zimmer finden. Und manchmal sind es die kleinen Details, die die Funktionalität und Individualität eines Raumes massgeblich steigern können, wie zum Beispiel das Doppelbett, das leicht zu zwei Einzelbetten auseinandergezogen werden kann oder das im Haus obligatorische Bücherregal, das vom Institut mit Lektüre bestückt wird. Während die Mönche in früheren Zeiten einen gemeinsamen Waschraum benutzten, verfügt nun jedes Zimmer über ein eigenes Bad.
Die Atmosphäre im ehemaligen Konvent ist auch heute noch ruhig und unaufgeregt. Doch immer wieder laden kleine Sitznischen, der Kreuzgang und der Kirchgarten zum kontemplativen oder gemeinsamen Verweilen ein. Ein ganz besonderer Ort ist der Raum der Stille mit einem Fenster in die Kirche.
Überall in der Abtei erlebt man das harmonische Miteinander von Alt und Neu, auch dort, wo die Nutzungsänderung technische Einbauten zur Klimatisierung der Räume und mediale Ausstattung erfordert hat. Die Architekten haben mit wenigen Materialien und daraus abgeleiteten Farben einen Grundton entwickelt, der auch in der Gestaltung des Forums mitschwingt. Doch hier wird schon beim Passieren des gläsernen Stegs der Wunsch deutlich, diesem aus dem Fels gewachsenen Bau eine Transparenz zu geben, die innen wie aussen Beziehungen zwischen Räumen erzeugt.
Auf Sicht gebaut
Die unterschiedlichen Nutzungen des Forums sind an der Gestaltung der Fassade ablesbar – auch dies ist eine mögliche Spielart der Transparenz, obschon keine wörtliche. Während ganz unten die Autos im steinernen Sockel verschwinden, bildet die gläserne Lobby auf der Erschliessungsebene nach klassischer Gliederung die Krone des Gebäudes. Entsprechend würdevoll gefasst wird der 360°-Panoramablick mit einer begrünten Dachterrasse.
Die beiden darunterliegenden Ebenen bilden mit dem grossen Restaurant und vier Tagungsräumen das Herzstück des Forums. Auch in der Ansicht ist dies der dominierende Bereich der Fassade, ein steinernes Band mit einer rhythmischen Gliederung aus grossen liegenden Panoramafenstern und schmalen stehenden Öffnungen. Aussergewöhnlich sind hier die schräg angeschnittenen steinverkleideten Laibungen, die mit der Tiefe der Wand spielen und den Blick lenken.
Jede der beiden Publikumsebenen empfängt die Besucher in einem Foyer, fast schon dramatisch inszeniert ist hier der Blick in die Fuge zwischen den Bauten und die massive Stützmauer der Abtei. Auf der Ebene – 1 (es wird vom Empfang nach unten gezählt) befindet sich das Restaurant mit einem grossen, aber leicht in kleinere Séparées unterteilbaren Speisesaal, dem auch eine als Loggia ausgebildete Terrasse angegliedert ist. Der Konsequenz in der Fassadengestaltung ist es zu verdanken, dass auch die auf der gleichen Ebene liegende Restaurantküche eine wunderbare Aussicht hat.
Die darunter liegende Ebene – 2 wird von vier unterschiedlich grossen Konferenz- und Tagungsräumen eingenommen. Das Europa-Forum im Gebäudekopf bietet als grösster Saal Platz für Veranstaltungen mit bis zu 200 Personen. Alle Tagungsräume wirken klar und fokussiert, die notwendig hochmoderne Technik ist, wie Garderoben und Möbellager, in den Tiefen von Wänden und Decken verborgen.
Alle Büros der darunterliegenden Institutsebene sind direkt an der Fassade angeordnet, die rundum verglast und ein wenig eingerückt ist, sodass auf dem Sockel ein Umgang entsteht, der zum Aufenthalt in den Pausen einlädt.
Auch im Forum schwingt, wie in den neu gestalteten Bereichen der Abtei, der harmonische Materialkanon aus hellem Holz und Stein in jedem Raum mit. Hier bleibt man bei der Sache, bleibt bei sich.
Das Michaelsberg-Beige
Ein übergeordnetes Farb- und Materialkonzept, das msm meyer schmitz-morkramer entwickelte, verbindet Abtei und Forum optisch miteinander. Dabei dominieren Naturstein auf den Böden sowie warmes Eichenholz an Fenstern, Türen, Böden, Handläufen und der gesamten Möblierung.
Auf den lichten Fluren der Hoteletagen und in den Hotelzimmern war es aus akustischen Gründen notwendig, einen textilen Bodenbelag zu verlegen. Gewünscht wurde ein Farbton, der das Interieur und den Naturstein untermalt, sich aber nicht vordrängt. Zusammen mit der Teppichbodenmanufaktur Carpet Concept entwickelte man einen eigenen, individuellen Ton, das «Michaelsberg-Beige» in der Qualität ECO TEC. Einen harmonischen, Ruhe vermittelnden Farbton, der mit den Teppichboden spezialisten in eigener Weberei in Münchenbernsdorf speziell kreiert wurde.
Auch das minimalistisch gehaltene Interieur der Zimmer trägt die Handschrift von msm meyer schmitz-morkramer: Neben gefertigten Eichenholzeinbauten wie Schrank, Schreibtisch und Garderobe heben sich die Bettkopfteile mit integrierter Beleuchtung hervor. Sie sind in den Akzentfarben Senfgelb, Ochsenblutrot oder Mitternachtsblau gehalten. Sitzmöbel in der jeweiligen Kontrastfarbe werden dazu kombiniert.
Auch in den Seminar- und Tagungsräumen finden sich diese Farbkombinationen und Materialien wieder. Es ist gelungen, einen roten Faden zu weben: die Verbindung zwischen Alt- und Neubau zu betonen, das Gestern und Heute harmonisch aufeinandertreffen zu lassen.
Bautafel
BauherrErzbistum Köln (D)
Architektur msm meyer schmitz-morkramer, Köln (D)
LandschaftsplanungFSWLA Landschaftsarchitektur, Düsseldorf (D)
HaustechnikTEN Ingenieure, Aachen (D)
LichtplanungLicht Kunst Licht, Bonn (D)
Statement von Caspar Schmitz-Morkramer
«Wir haben uns gefragt, was uns das Haus mitteilen möchte und wie wir damit umgehen können. Eine der Antworten war das Schaffen einer klaren Ordnung. Mit dem Neubau haben wir der Abtei eine moderne Komponente gegenübergestellt. Wichtig für uns war, dass die beiden Häuser kommunizieren und funktionieren, nicht konkurrieren. Damit für die Gäste der Besuch auf dem Michaelsberg unvergesslich bleibt, haben wir das Ankommen neu gestaltet. Fuhr man einst in den Hof der Abtei, gibt es jetzt einen Vorplatz mit Empfangshalle. Über einen Aufzug gelangt man nach oben in den Pavillon mit weitem Blick über Siegburg und die Landschaft. So erhält jeder Gast einen Bezug zur Umgebung. Dann erst geht es durch die ebenfalls gläserne Brücke in das Gebäude hinein. Uns war es wichtig, den Weg als Reise zu inszenieren. Die Gäste sollen ihren Alltag hinter sich lassen, bevor sie sich auf neue Themen einlassen. Die modernste Beleuchtungstechnik ist so integriert worden, dass man sie nicht sieht. Die Kreuzgänge konnten ihren Charme behalten, obwohl wir sie grundlegend sanieren mussten. Es war spannend, sich mit der Historie der Abtei zu beschäftigen, um zu sehen, wie die sakralen Architekturthemen von Kreuzgängen bis hin zu Gewölben und Mönchszellen neu interpretiert werden können.
Ausgearbeitet wurde auch ein übergeordnetes Farb- und Materialkonzept, um Abtei und Forum optisch miteinander zu verbinden. Dabei dominieren Naturstein auf den Böden sowie warmes Eichenholz an Fenstern, Türen, Böden, Handläufen und der gesamten Möblierung.
Uns hat besonders gereizt, das Gebäude zu revitalisieren, eine Gestaltung einzubringen, die es auf besondere Weise erlebbar und bewohnbar macht. Eines dieser Erlebnisse wird von der ersten Hotelzimmer-Etage aus greifbar: Der Flur mündet in einer ungewöhnlichen Fensteraussicht, die den Blick in die Kirche freigibt – direkt auf den Altar.»








