Hotels und Restaurants – Genuss- und Begegnungsort für das ganze Jahr

In Schmerikon haben raeto studer architekten den Pavillon am See erstellt. Mit seiner Formensprache akzentuiert er die Lage und ihre umliegende Landschaft und bereichert das Seeufer.

Pavillonkörper
 Pavillon am See  Schmerikon
Von Lukas Bonauer (Text) und Ruedi Walti (Bilder)
In Schmerikon haben raeto studer architekten den Pavillon am See erstellt. Mit seiner Formensprache akzentuiert er die Lage und ihre umliegende Landschaft und bereichert das Seeufer.
Als Wohnort hat Schmerikon am oberen Ende des Zürichsees in den letzten Jahren an Attraktivität gewonnen. Die Gemeinde wird vom Durchgangsver- kehr grossräumig umfahren; es gibt einen bequemen Anschluss an die Zürcher Oberlandautobahn, und der Bahnhof liegt an der Peripherie von Zürichs S-Bahn-Netz. Der Verlauf der Gleise sorgt allerdings auch für eine Zweiteilung, welche die Siedlungsentwicklung mitbestimmte: auf der einen Seite die dicht besiedelte Wohnumgebung, auf der anderen Seite das offene Ufergebiet. Für dessen Neugestaltung war vor einigen Jahren ein Wettbewerb ausgeschrieben worden. Aufgewertet werden sollte dabei auch das öffentliche Leben am Wasser. Die Idee eines eigentlichen Sommerangebots mit Kiosk und Umziehkabinen für die Lidogäste transformierte bald zum Beschluss, in diesem einmaligen Panorama eine Genuss- und Begegnungsstätte für das ganze Jahr zu ermöglichen.Der Basler Architekt Raeto Studer entwickelte mit Benjamin Theiler einen nah ans Wasser gestellten Pavillonkörper, der über Blickbezüge den Dialog mit der umliegenden Natur ermöglicht, sich in seiner äusseren Erscheinung optisch an das im Hintergrund aufragende Bergmassiv anlehnt, aber auch durch seine schillernde Form auffällt. Er entzieht sich dem Betrachter nur scheinbar, in dem er zwischen Wahrnehmungsmomenten verschiedener Fluchten oszilliert und erst auf den zweiten oder dritten Blick erfassbar wird.

Architektur als Gleichnis

Damit gliedert sich der Bau in die Reihe bestehender Bauten des Büros ein: Grundsätzlich vertritt der Pavillon – wie alle Bauten von raeto studer architekten Basel – die architektonische Prämisse, auf den Dialog mit dem Ort und den Prozess der Veredelung intensiv, aber nicht prätentiös einzugehen. Und dabei eine Architektur- bzw. Formensprache zu schaffen, die Irritationen schafft und mithin eine Auseinandersetzung mit dem Baukörper und seiner Verortung anregt. Ein Spiel mit Licht und Schatten, mit verschiedenen Winkeln, optischen Erscheinungen und Sichtbezügen, ein Durchdringen von Zuständen, Wirkungen, Erfahrungen – und damit eine Architektur als Gleichnis zum Erleben des eigenen Daseins.

Konsequent geht der Körper in seiner Stellung und seinem formalen Gebilde auf keinerlei vorherrschenden städtebaulichen Strukturen der eigentlichen Siedlungsseite ein. Er steht zu nichts parallel oder orthogonal, vielmehr verfügt er über eine Architektursprache, die sich aus der Verortung mit dem losgelösten Kontext und der Weiträumigkeit entwickelt.

Vielseitige Komposition

Das formale Gebilde kann dabei als skulptural blockartig umschrieben werden – eine Form, in der das Kantige durch seine weiten Winkel wegfällt. Es ist diese vieleckige Komposition, mit der die Unfassbarkeit und damit die Schönheit des Rätselhaften zustande kommt. Der polygonale Körper entzieht sich dem Betrachter scheinbar, in dem er zwischen Wahrnehmungsmomenten verschiedener Fluchten oszilliert und erst auf den zweiten oder dritten Blick erfassbar wird. Durch die verschiedenen Winkel wirkt das Volumen länger; es entsteht eine Horizontalität, je nach Lichteinfall eine beinahe flächige Erscheinung. Ein Körper, der sich mit den abgedrehten Seiten, mit seiner Mehrseitigkeit wie in den umliegenden Raum hineinfaltet.

Der geschliffene, glatte Pavillonkörper mit dem weiss gefärbten Betonkleid wurde veredelt, und eine Spezialfirma war für die zusätzliche Verarbeitung der Bindlöcher zuständig. Der Kamin setzt das Spiel mit den Fluchten in die Vertikalität fort. Als Teil des Volumens schafft er ein visuelles Gleichgewicht zum horizontalen Hauptkörper. Seine Position entwickelt sich aus dem Grundriss heraus und integriert sich in den einen von zwei Nebenraumbereichen, welche den eigentlichen Hauptraum, den sogenannten Gastraum, flankieren. Diese Nebenräume geben sich nach aussen geschlossen, enthalten inwendig aber überraschende Details wie etwa den mit natürlichem Zenitallicht ausgestatteten Vorplatz zu den Garderoben. Die Garderoben verfügen über einen separaten Eingang.

Dialog mit der Aussicht

Jeweils raumbreite Glasschiebefronten belichten den durchlaufenden Gastraum, der sich zur Industrieseite hin verengt und mit seiner Öffnung zum See hin die Weite der Landschaft inszeniert. Hier kulminiert der Dialog mit der Aussicht. Hier öffnet sich der Blick auf die einmaligen Stimmungen des Obersees und auf das dahinterliegende Bergpanorama. Jede Wetterstimmung ist bis ins Raumzentrum spürbar, und umgekehrt wirkt der Gastraum von aussen wie ein offenes Atrium. Aus der Geometrie des Kontextes generiert, bietet er ein schattenspendendes Dach im Sommer und einen wärmenden Schutz vor der Kälte im Winter und verfügt über eine offene Küche, die ebenso in ihrer minimalistischen Gestaltung überzeugt.

Zentrales Element des Gastraums ist eine raumdominierende Theke aus den gleichen Werkstoffen wie die Aussenhülle. Die Innenböden sind aus geschliffenem, eingefärbtem Hartbeton. Eine Doppelbodenkonstruktion sorgt für die notwendige Hohlraumhöhe für Leitungen der kontrollierten Lüftung. Holzpfähle mit Holz von lokalen Bäumen wurden für die Fundation eingesetzt. Das Dach liegt auf den inneren Seitenflügelwänden auf und besteht aus einer Doppelschalenkonstruktion aus Beton; die äussere Schicht ist 12 cm stark.

Die idyllische Parkanlage rund um den Pavillon und der als Boulevard gestaltete Uferweg mit Alleebäumen, gestaltet von den Landschaftsarchitekten Studio Vulkan, geben das passende Setting zu dieser bereichernden Einrichtung. Der kompakte Restaurant-Pavillon am Wasser mit einer Nutzfläche von 196 m² und einem Gebäudevolumen von 890 m³ am Wasser belebt die neugestaltete Uferanlage sowohl als künstlerisch-architektonischer Blickfang als auch als Ort der ganzjährigen Einkehr für die Ausflügler am See.

Bei schönem Wetter lockt eine Seeterrasse die Gäste des Restaurants mit dem Namen Pier 8716 (Postleitzahl von Schmerikon) nach draussen, bei Kälte finden rund 30 Personen im abgewinkelten Lokal Platz, das sich mit einem grossen Fenster auf das Seepanorama öffnet.

Bautafel

Bauherrschaft Ortsgemeinde Schmerikon

Architektur raeto studer architekten, Basel

Statik prb Bauingenieure GmbH, Gränichen

Landschaftsarchitektur Schweingruber Zulauf Landschaftsarch. BSLA, Zürich

Schmerikon

Das Dorf Schmerikon ist so etwas wie der Gegenpol zu Zürich. Es liegt am oberen Ende des Sees, nahe der Mündung der Linth. Seit jeher ein Warenumschlagplatz, verfügt die Gemeinde über ein intaktes historisches Zentrum. Die Uferbebauung mit ihren markanten Giebelfronten wurde zwar im 19. Jahrhundert durch Aufschüttungen und die Bahnlinie vom See getrennt. Sie ist aber immer noch ein beliebtes Postkartensujet. Bis heute spielt die Lage am See eine wirtschaftliche Rolle: Es gibt in der Gemeinde eine Werft, und die Frachtroute für den ganz in der Nähe abgebauten berühmten Bollinger Sandstein erfolgt zum Teil übers Wasser.

Pavillonkörper
Der Pavillon bildet den westlichen Abschuss zum Zürich-Obersee. Über Blickbezüge ermöglicht er den Dialog mit der umliegenden Natur.
Pavillonkörper
Pavillonkörper
Konsequent geht der Körper in seiner Stellung und seinem formalen Gebilde auf keinerlei vorherrschenden städtebaulichen Strukturen der eigentlichen Siedlungsseite ein.
Pavillonkörper
Pavillonkörper
Die Formensprache schafft Irritationen und regt gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit dem Baukörper und seiner Verortung an.
Pavillonkörper
Die minimalistische Gestaltung des Äusseren setzt sich im grosszügig dimensionierten Innenraum, dem Gastraum, fort.
Pavillonkörper
Dachaufsicht
Dachaufsicht
Erdgeschoss
Erdgeschoss
Schnitt
Schnitt Gastraum
Südfassade
Schnitt Technikraum
Südfassade
Südfassade
Westfassade
Westfassade
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