Haus- und Wohnungsbau – Eine Wohnsiedlung stiftet Identität

Die Überbauung Schupferzälg in Diessenhofen wurde so entwickelt und realisiert, dass sie in malerischer Landschaft differenzierte Aus- und Durchblicke ermöglicht.

Schupferzälg
Durch verputzte, in warmem Grauton gehaltene und mit Besenstrich versehene Flächen entsteht ein einheitlicher Siedlungsausdruck.
Von Lukas Bonauer (Text) und Jürg Fausch (Bilder)
Die Überbauung Schupferzälg in Diessenhofen wurde so entwickelt und realisiert, dass sie in malerischer Landschaft differenzierte Aus- und Durchblicke ermöglicht.

Die neue Wohnsiedlung Schupferzälg in Diessenhofen stiftet Identität. Sie überzeugt durch unterschiedliche Raumschichten und Erlebnisräume. Ihre äussere Erscheinung bestimmen behutsam gesetzte und deshalb wirkungsvolle Akzente. Klug angeordnet und innen- wie aussenräumlich durchdacht ist sie, die Überbauung mit insgesamt sechs Mehrfamilienhäusern. Sie tritt wohltuend unprätentiös auf, entwickelt ihre Stärke im Dialog mit den unterschiedlichen Umgebungsräumen und widersetzt sich am südöstlichen Siedlungsrand von Diessenhofen der Beliebigkeit.Das malerische Städtchen, das bis heute über mittelalterliche Gassen und Gebäude verfügt, liegt im Kanton Thurgau zwischen Schaffhausen und Stein am Rhein an einer der schönsten Flusslandschaften Europas. Dort, wo der Hochrein nur wenige Hundert Meter entfernt ist und den Grenzverlauf zwischen Deutschland und der Schweiz bildet, erweitert sich die Ortschaft in südöstlicher Richtung fleissig. Diese bauliche Entwicklung erstaunt nicht. Grüne Hügel, Felder, Wiesen und Rebhänge prägen rundum das Landschaftsbild.

Eine atmosphärische Ortsqualität, welche die Architektengemeinschaft Berger Hammann – BRI – Architekten in die von ihnen entwickelte und realisierte Überbauung Schupferzälg miteinbezieht.

Punktuelle Verdichtung und Weitläufigkeit

Der dafür vorgegebene Perimeter ist Teil eines dispers gewachsenen, durchgrünten Wohnquartiers von punktuellen Verdichtungen und Weitläufigkeit. Im Norden begrenzen kleinteilige Ein- oder Zweifamilienhäuser den Siedlungsraum, westlich finden sich bereits drei- bis vierstöckige Mehrfamilienhäuser – und im Süden und Osten öffnet sich der Blick in diese malerisch landschaftliche Umgebung.

Die insgesamt sechs Wohnkörper ermöglichen durch ihre versetzte Anordnung bzw. Stellung begehbare Blickkorridore zwischen den Zeilen. Ebenso ermöglicht der innere Aufbau verschiedenartige Durch- und Ausblicke innerhalb der Siedlung und aus der Siedlung hinaus in die Landschaft. Zugleich tragen die Aussenräume der Wohnungen dazu bei, dass die einzelnen Wohneinheiten die grösstmögliche Privatsphäre erhalten und gegenseitige Störungen minimiert werden.

Oder anders ausgedrückt: Jeweils zwei orthogonal zueinander stehende Kubaturen verschaffen jeder Wohnung ihre eigene Ausrichtung und Privatsphäre. Zudem unterstützt dieser Typus der Baukörper-Staffelung eine optimale Besonnung sämtlicher Wohnungstypen. Dem Bebauungsmuster folgen die insgesamt 45 Wohnungen mit einer systematisch aufgebauten inneren Struktur, die auf der Addition immer gleicher Raumgruppen basiert und eine wirtschaftliche Bauweise sowie verschiedene Wohnungsgrössen zulässt. Die Mehrfamilienhäuser beinhalten dreistöckige Zweispänner – die sich vom Erdgeschoss bis zum zweiten Obergeschoss wiederholen – und ein variierendes Attikageschoss, das den Wohnungsmix aus 2,5-, 3,5-, 4,5- und 5,5-Zimmer-Wohnungen erweitert.

Dadurch richtet sich das Angebot an Interessengruppen aller möglichen Lebenslagen, was eine gute Durchmischung und Vielfältigkeit im Siedlungsleben begünstigt. Wohn- und Aufenthaltsbereiche funktionieren je Wohnung als Raumkontinuum ohne starre Wände. Raum bildende, frei stehende Schreinermöbel gliedern dabei den Grundriss und leiten zu den Tages- bzw. Gemeinschaftsbereichen über. Diese lassen sich durch integrierte Schiebetüren im Möbel abtrennen und um die anliegenden Loggien erweitern. Unterschiedlich zugeschnittene Individualbereiche, natürlich belichtete und belüftete Nassräume und insgesamt neun zusätzliche, voll ausgebaute, variabel nutzbare Untergeschoss-Räume runden das Raumangebot ab.

Ein minimalisiertes Treppenhaus hält die zwei Wohnungseinheiten pro Baukörper wie ein Scharnier zusammen und bildet mit den Nasszellen den massiven Rücken der zurückhaltend erscheinenden Volumen, die sich über die Loggien und Terrassen dafür pointiert öffnen. Die massgeschneiderten Geländerabschlüsse weisen durch ihre Verdrehung ein feines Gestaltungsspiel auf, das als Zierde verstanden werden kann. Gleichzeitig bieten die Geländer im unteren Bereich einen erhöhten Einblickschutz, während sie im oberen Teil den Blick in die Umgebung freigeben.

Einheitlicher Ausdruck

Die Wohnsiedlung Schupferzälg erhält einen einheitlichen Ausdruck mittels verputzter, in warmem Grauton gehaltenen Flächen, die einen auffälligen Kontrast zur gebauten Umgebung vermeiden. Die subtile horizontale Besenstrich-Veredelung lässt Licht und Schatten tageszeitspezifisch darauf wirken. Die glatt verputzten hellen Einfassungen akzentuieren sämtliche Fassadenöffnungen und Loggien-Einschnitte, charakterisieren das äussere Erscheinungsbild und geben dem Siedlungsraum eine eigene Identität. Zusätzlich schaffen differenziert gestaltete aussenräumliche Aufenthalts- und Begegnungsräume markante Bezugspunkte.

Durch die Positionierung und versetzte Anordnung der sechs Baukörper entstehen unterschiedliche durchlaufende Raumschichten und Erlebnisräume, die zwischen den umliegenden Siedlungs-typologien und ihren fliessenden Grünräumen vermitteln und damit eine räumliche Beziehung zum gebauten Umfeld herstellen. Auch die Grössenordnung der Bebauung entspricht der heutigen Massstäblichkeit des Quartiers.

Spezielle Wegverbinduneg machen die sowohl gegen Süden als auch gegen Westen durchlässige Siedlung erlebbar. Die Bebauung übernimmt damit die Durchlässigkeit der umseitig gegebenen offenen Siedlungsstrukturen und knüpft in Abmessung und Ausrichtung an die bestehende Struktur der westseitig vorhandenen Mehrfamilienhäuser an.

Aussenraum, Spielflächen und Parkplätze

Ein feines, orthogonales Wegnetz überspannt und zoniert die Anlage. Nebst der Anbindung der einzelnen Wohneinheiten entstehen so unterschiedliche Flächen für Spiel und Aufenthalt. Ein spezifisches Grün- bzw. Pflanzenkonzept trägt zur Attraktivität der Umgebung bei und berücksichtigt die Unterscheidung zwischen privaten und gemeinschaftlichen Bereichen. Sogenannte «Heckenwinkel» schirmen jeweils die privaten Aussenbereiche gegenüber den Hauseingängen und Aufenthalts- bzw. Erschliessungsbereichen ab.

Sie ermöglichen durch ihre präzise Setzung zugleich Ausblicke in verschiedene Richtungen. Nordseitig der Anlage befindet sich ein attraktiver und vielfältiger Spielplatz für Kleinkinder, während südseitig eine grosse Spielwiese das Ballspielen erlaubt. Dadurch wird den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kinder und Eltern Rechnung getragen. Die naturnahen, vielfältig nutz- und veränderbaren Spielbereiche sind über Wege miteinander verbunden.

Am nördlichen Grundstückseck konzentrieren sich Haupterschliessung mit Besucherparkplatz sowie die Einfahrt in die Einstellhalle (49 Parkplätze), damit das restliche Areal (rund 95 Prozent der Fläche) verkehrsfrei bleiben kann. ●

Bauweise und Gestaltung

Die Wohnkörper verfügen über kompakte Grundflächen, hochwertige Fassaden aus mineralischen Baustoffen, extensiv begrünte Dächer und eine in Massivbau (Stahlbeton und Mauerwerk) erstellte Tragstruktur. Die Hülle hat einen hervorragenden Dämmwert.

Jedes Haus wird mit Erdwärme aus drei Sondenbohrungen beheizt. Zudem ermöglicht eine eingebaute kontrollierte Wohnraumlüftung die Minergie-Zertifizierung der gesamten Siedlung. Insgesamt 30 der 45 Wohnungen wurden als Eigentumswohnungen verkauft. Der Innenausbau konnte von den privaten Käufern mitbestimmt werden.

Das Architektenteam ging auf die sehr individuellen Wünsche mit grosser Sorgfalt ein. Das Resultat: 30 unterschiedlich materialisierte und gestaltete Wohnungen. Die verbleibenden 15 Mietwohnungen verfügen über eine bewusst sehr schlicht gehaltene, zeitlos und zugleich moderne Materialisierung und qualitativ hochstehende, robuste und dennoch kostenbewusst ausgelesene Oberflächenbeläge.

Bautafel

Bauherrschaft Gerimag AG, Tägerwilen

Planung und Ausführung ARGE Berger Hammann – BRI – Architekten

Bauingenieur Rolf Soller AG, Kreuzlingen

Elektroplaner Elektro-Design+Partner AG, Winterthur

HLS-Plane Planforum GmbH, Winterthur

Landschaftsarchitekt

ASP Landschaftsarchitekten AG, Zürich

Schupferzälg
Jeweils zwei orthogonal zueinander stehende Kubaturen verschaffen jeder Wohnung ihre eigene Ausrichtung und Privatsphäre.
Schupferzälg
Schupferzälg
Wohn- und Aufenthaltsbereiche der Wohnungen funktionieren als Raumkontinuum.
Schupferzälg
Schupferzälg
Der Grundriss ist durch Raum bildende, frei stehende Schreinermöbel gegliedert.
Erdgeschoss
Umgebung und Erdgeschoss
28600_plan_ansichten_3992031
Querschnitt
Querschnitt Haus E und B
Längsschnitt
Längsschnitt Haus C
(Visited 163 times, 1 visits today)

Weitere Beiträge zum Thema

up to date mit dem
Architektur+Technik Newsletter
Erhalten Sie exklusive Trends und praxisnahe Innovationen mit Architektur+Technik –direkt in Ihr Postfach.
anmelden!
Sie können sich jederzeit abmelden!
close-link