Corporate Architecture – Wie viel Schweiz wird exportiert?

Der Neubau der Schweizer Botschaft des Luzerner Architekturbüros ro.ma. in Kenias Hauptstadt Nairobi ist ein architektonisch hochstehender Bau, der die Schweiz in angemessener Weise repräsentiert.

Schweizer Botschaft
Im individuellen Gebäudeausdruck, insbesondere im rotbraun pigmentierten Sichtbeton der Aussenfassade und der Umfassungsmauer, spiegelt sich Nairobi wider.
Von Lukas Bonauer (Text), Fabio Idini und Iwan Baan (Bilder)
Der Neubau der Schweizer Botschaft des Luzerner Architekturbüros ro.ma. in Kenias Hauptstadt Nairobi ist ein architektonisch hochstehender Bau, der die Schweiz in angemessener Weise repräsentiert.

In Nairobi, das auf einer Höhe von 1700 Metern über Meer liegt, ist das Klima mild und über das ganze Jahr ausgeglichen. Eine vielfältige und reichhaltige Vegetation prägt das Stadtbild. Fast scheint es, als werde damit der Standort des Hauptsitzes der Uno-Umwelt-Agentur, der in Kenias Hauptstadt ansässig ist, bekräftigt – vor allem in den reicheren Stadtgegenden ist die Durchgrünung allgegenwärtig.Das gilt auch für das rund 4000 Quadratmeter grosse Areal der neuen Botschaft mit mehreren alten, mächtigen Bäumen, die bewusst in das Projekt integriert und nicht gefällt wurden, obschon dies gesetzlich möglich gewesen wäre.

Die Nachhaltigkeitsstrategie des Bundesrates – mit Zielsetzungen in den Bereichen Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt – war innerhalb der Projektentwicklung ein wichtiger Bestandteil. Insgesamt 119 Büros aus dem In- und Ausland machten am einstufigen, internationalen Projektwettbewerb mit, der 2011 vom Bund (vertreten durch das Bundesamt für Bauten und Logistik BBL) im offenen Verfahren ausgeschrieben worden war.

Wie sieht eine moderne Landesvertretung in einem gänzlich anderen Kulturraum aus? Wie viel Schweiz ist dabei zu «exportieren»? Wie können die hohen Sicherheitsanforderungen in das Projekt integriert werden? Zu diesen und anderen Fragen fand das Luzerner Büro ro.ma. (roeoesli & maeder gmbh, dipl. architekten eth bsa) die architektonisch besten Antworten.

Auch geografische Distanz und Aspekte der Logistik stellten die Architekten vor Herausforderungen. Sie hatten ein internationales Projektteam zu leiten mit sehr vielen Projektbeteiligten unterschiedlichster Mentalität und Herkunft. Insbesondere auch vor Ort begleiteten andere Eigenheiten, andere Auffassungen von Verarbeitung, Qualität, Kosten und Zeit das Bauvorhaben. Die Handwerker arbeiteten fast ohne Maschinen, überzeugten durch handwerkliches Geschick und Kreativität bei der Umsetzung. Überzeugungsleistungen waren unumgänglich, Begegnungen und Erfahrungen unersetzlich. Ein gegenseitig aufregender und reichhaltig durchlebter Prozess, der am 15. Februar 2018 nach siebenjähriger Planungs- und Realisierungszeit mit der Eröffnungsfeier gewürdigt wurde.

Lokale Baukultur einbezogen

Entstanden ist ein architektonisch hochstehender Bau, der die Schweiz in angemessener Weise repräsentiert und zugleich die lokale Baukultur bzw. die ortsansässigen Unternehmen einbezieht. Die üppige Vegetation mit dem Baumbestand hat seine Setzung, die Geometrie wie auch die formale Umsetzung zentral beeinflusst. Die lokalen klimatischen Bedingungen haben auf die Materialisierung eingewirkt.

Die neue Botschaft wirkt nach aussen schlicht und nach innen repräsentativ. Sie verzichtet auf eine protzige palastartige Erscheinung und integriert sich optisch in die quartierübliche «Residential-Bebauung».

Das Quartier der neuen Botschaft gilt als erweitertes «Einzugsgebiet der Uno», weshalb viele andere Botschaften und entsprechende Residenzen in unmittelbarer Umgebung zu finden sind. Ansonsten wohnen in diesem Gebiet (ursprünglich einer Kaffeeplantage des schwedischen Königs) wohlhabende Kenianer oder Expats; ein ruhiges, gepflegtes Wohnquartier im Stadtteil Rosslyn, das zu dem Teil Nairobis zählt, der von grossen, teilweise im britischen Kolonialstil erbauten Villen geprägt ist.

Das Botschaftsgrundstück selbst befindet sich auf der Ostseite des Rosslyn Green Crescent und war aus Sicherheitsgründen vom Umfeld zu separieren durch eine das ganze Terrain umgebenden Sicherheitsumfriedung, mindestens 2,50 Meter hoch, mit Übersteigschutz. Eine widersprüchliche, aber nicht minder spannende Ausgangslage für die geforderte Repräsentation einer «modernen, offenen Schweiz». Dabei manifestierte sich als einer der konzeptionellen Kernpunkte die Verschmelzung von Umfriedungsmauer und Baukörper, die beide aus eingefärbtem Sichtbeton bestehen, zu einem einheitlichen architektonischen Gebilde.

Eine spiralartige räumliche Figur

Durch das Herauswachsen des eigentlichen Gebäudes aus dieser Mauer entsteht eine spiralartige räumliche Figur. Sie beginnt in der südöstlichen Ecke geschosshoch und integriert sich daher in die Umgebung, rahmt das gesamte Grundstück ein und endet im Zentrum zweigeschossig. Innerhalb der «Compounds» weist der eigentliche Hauptbau den geforderten repräsentativen Charakter auf, tritt aber gegen aussen sehr zurückhaltend in Erscheinung.

Das Gebäude respektiert mittels seiner geknickten, polygonalen Form die bestehende markante Baumlandschaft – Florettseidenbäume (Silk floss tree oder Chorisia C. speciosa) mit urigem Aussehen, stacheligem Stamm sowie rosa bis lachsfarbenen und weinroten Blüten – und passt sich damit zugleich bestens ein. Der Baukörper steht sozusagen «im Park» und wird von diesem umgeben, wodurch das Maximum an Räumen an dieser natürlichen Umgebung teilhat, was durch grosszügige Verglasungen unterstrichen wird. Zudem wird die Parzelle damit nicht in eine Gebäudevorder- und eine Gebäuderückseite geteilt.

Die Umfassungsmauer wiederum bettet sich westseitig quartierverträglich in die Vegetation der «safe surrender zone» ein, die sich aus Reserveflächen für Telefon- und elektrische Leitungen sowie die Kanalisation zusammensetzt, allesamt im Eigentum Nairobis und nicht überbaubar.

Das Grundstück weist eine gegen Norden hin leicht abfallende Topografie auf. Das Gebäude reagiert darauf im Schnitt mit einer Split-Level-Anordnung der Geschosse. Die halbgeschossig versetzten Gebäudeteile beherbergen jeweils eine funktionale Einheit. Als deren verbindendes Element dient die gebäudedurchdringende, mittige Empfangshalle, die den Dreh- und Angelpunkt der Anlage sowie das Bindeglied zwischen öffentlichem, diplomatischem und konsularischem Bereich bildet. Dieser strukturiert sich auf dem Niveau der Vorfahrt, das jenem des Zugangs für die Botschaftsbesucher entspricht. Gleich darunter (unterirdisch) befinden sich die Nebenräume, da sie ohne Tageslicht auskommen.

Die oberen Ebenen organisieren eher das Repräsentative und bieten Funktionen für die Öffentlichkeit. Die leicht geneigte Dachfläche schafft die dafür adäquaten höheren Räume. Der grosszügige, die gesamte Gebäudelänge durchgehende, zentrale Erschliessungsbereich erlaubt eine einfache Orientierung und berücksichtig dabei auch wichtige sicherheitslogistische Aspekte.

Die natürliche Belichtung erfolgt über die beidseitig angeordneten Raumschichten mittels Verglasungen, die sich mit den tragenden Wandscheiben abwechseln. Diese regelmässige Struktur (mit einem Rastermass von 1,2 Meter) erlaubt in den beiden äusseren Raumschichten eine flexible Unterteilung bzw. Anpassung an künftige Bedürfnisse. Die inneren (Büro)Verglasungen vermitteln gleichzeitig eine offene, transparente und moderne Büro- und Arbeitskultur.

Schweizerische und kenianische Normen

Die sowohl für Besucher als auch für das Personal hindernisfrei beziehungsweise Rollstuhl- und Behinderten-gerecht ausgestattete Botschaft (schweizerische und kenianische Normen) integriert verschiedene Nutzer- und Besucherströme und deren geschickt entflochtenen Zugänge mit der gemeinsamen Adresse beziehungsweise Ankunft auf der Westseite gleich bei den Besucherparkplätzen.

Im individuellen Gebäudeausdruck, insbesondere im rotbraun pigmentierten Sichtbeton der Aussenfassade und der Umfassungsmauer, spiegelt sich das ostafrikanische Land wider. Damit nimmt der Baukörper die Farbe der «coffee soil» auf, der Erde, die in Kenias Hauptstadt überall präsent und durch den hohen Eisengehalt extrem rot ist. Ebenso ist diese Farbgebung ein ausgeklügelter Schachzug der Vorwegnahme, da sich über kurz oder lang alles (via Staub, Spritzwasser u. a.) in diesen rostroten Farbton verfärben würde. Das begrünte Flachdach hingegen ist für Kenia eher exotisch und soll der Vorbildfunktion der Schweiz im ökologischen Bauen Ausdruck verleihen.

Mitunter auffällig sind die grosszügig dimensionierten Fenster, eingefasst mit geometrischen Fassadenvorsprüngen. Die Glasflächen spiegeln dabei die Vegetation und lassen das Gebäude selbst Teil davon werden, was aber nicht nur optische Gründe hat. Der Äquator ist nah, und die Vorsprünge dienen der Beschattung als plastischer, konstruktiver Sonnenschutz, wodurch keine Rollläden betätigt werden müssen und der einmalige Ausblick uneingeschränkt gewährleistet bleibt. Innerhalb des Grundstücks verläuft das Volumen diagonal zu den Aussengrenzen. Diese Positionierung erlaubt nicht nur den Weiterbestand der grösseren Bäume, sondern scheidet auch zwei Zonen innerhalb der Umfassungsmauer aus: Im Südosten entsteht eine repräsentative Vorfahrt mit oberirdischer Parkiermöglichkeit (insgesamt 20 Parkplätze für Mitarbeiter), die dank ihrer umfassenden Ausbildung und zusätzlichen Bepflanzung den Auftakt bildet zu der im Nordwesten zwischen Umfassungsmauer und Neubau aufgespannten Gartenanlage, für deren Gestaltung ein lokaler Landschaftsarchitekt beigezogen wurde. Die beiden Zonen sind ausser durch die Empfangshalle auch über einen mäandrierenden Weg verbunden, auf dem die vielfältige Vegetation und differenziert gestaltete Umgebung zusätzlich erlebt und bewundert werden kann.

Die bestehenden, in die Anlage eingebundenen Bäume haben in Kenia auch eine sozialpolitische Bedeutung. Die von der 2011 verstorbenen Wangari Maathai ins Leben gerufene Green-Belt-Bewegung basiert ursprünglich auf der Idee, Frauen in ländlichen Gegenden die Beschaffung von Feuerholz auf einem nachhaltigen Weg zu ermöglichen. Durch das einfache, aber effektive und symbolträchtige Pflanzen von Bäumen wird gleichzeitig die Erosion nährstoffhaltiger Bodenschichten verhindert, und der Wald als natürlicher Wasserspeicher leistet einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung der Wüstenbildung – abgesehen von der Verbesserung der Luftqualität und der Produktion des als Brenn- und Baumaterial wichtigen Rohstoffes Holz.

Während zur Erfüllung dieser Aufgaben zehn Prozent der Fläche eines Landes mit Wald bewachsen sein sollten, sind dies in Kenia derzeit weniger als zwei Prozent. In diesem Kontext ist umso bedeutender, dass dem Erhalt der bestehenden Bäume eine zentrale Rolle bei der Situierung der neuen Botschaft zukommt – in einem Gebäude, das zwischen Repräsentation und Zurückhaltung sowie zwischen verschiedenen zum Ausdruck gebrachten Bezügen oszilliert und das die geforderten Aspekte der Funktionalität, Sicherheit und Nachhaltigkeit in einem stringenten Raumgefüge verkörpert. ●

Bautafel

Bauherr Schweizerische Eidgenossenschaft

Bauherrenvertretung Bautop 200, Biel

Architekten ro.ma roeoesli & maeder architekten gmbh, Luzern

Bauleitung Mentor Management Ltd., Nairobi, Kenia

Landschaftsarchitekt Concrete Jungle, Nairobi, Kenia

BauingenieureBG Ingenieure und Berater AG, Bern, Metrix Integrated Consultancy, Nairobi, Kenia

HLKSE IngenieureBG Ingenieure und Berater AG, Lausanne, AMS Ltd. Consulting Engineers, Nairobi, Kenia

Schweizer Botschaft
Schweizer Botschaft
Die grosszügig dimensionierten Fenster sind mit geometrischen Fassadenvorsprüngen eingefasst, die der Beschattung dienen.
Schweizer Botschaft
Die Glasflächen spiegeln die Vegetation und lassen das Gebäude selbst Teil davon werden.
Schweizer Botschaft
Schweizer Botschaft
Mittels seiner geknickten, polygonalen Form respektiert das Gebäude die bestehende markante Baumlandschaft.
Schweizer Botschaft
Als verbindendes Element dient die gebäudedurchdringende, mittige Empfangshalle, die den Dreh- und Angelpunkt der Anlage bildet.
Schweizer Botschaft
Die inneren Verglasungen vermitteln eine offene, transparente und moderne Büro- und Arbeitskultur.
Schweizer Botschaft
Die neue Botschaft wirkt aussen schlicht und innen repräsentativ.
Situationsplan
Situationsplan
Ansicht Süd
Ansicht Süd
Ansicht West
Ansicht West
Längsschnitt
Längsschnitt
Grundriss
Grundriss Level 1 und 2
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