Bautypologische Premiere
Die IG Autobahnkirche Andeer – Val Schons präsentiert einen Vorschlag für die erste Autobahnkirche in der Schweiz. Das von Herzog & de Meuron entwickelte Vorprojekt an der A13 bei Andeer besteht aus einer prominent sichtbaren überirdischen Kirche, die mit einer unterirdischen Raumsequenz verbunden ist.

Die Idee der Autobahnkirche schliesst an das Konzept der mittelalterlichen Wegkapelle an und wird an die Bedürfnisse der heutigen Bevölkerung angepasst. Autobahnkirchen bieten Durchreisenden einen Ort der Rast, der Stille und des Gebets. Sie sprechen mit einer reduzierten religiösen Symbolik. Das Konzept der Autobahnkirchen ist in den Nachbarländern bereits etabliert. In Deutschland gibt es 46 davon. Nun soll auch in der Schweiz eine Autobahnkirche beim Dorf Andeer gut sichtbar auf einem an die Autobahn 13 angrenzenden Hügel entstehen, sie wurde von Herzog & de Meuron geplant. Die A13 verbindet das Dorf im Norden mit Chur und im Süden via San Bernardino mit dem Tessin und Italien. Erreicht wird die Autobahnkirche nach einem kurzen Spaziergang vom Parkplatz am östlichen Waldrand. Dadurch entstehen für das Dorf keine zusätzlichen Immissionen.
Kirche mit unterirdischen Räumen
Von der Autobahn her ist die Kirche bloss als eine Art Vexierbild wahrnehmbar, das aus vier rechteckigen gleich grossen Wänden besteht. Die Wände sind jedoch nicht fest verbunden, sondern lehnen aneinander und stützen sich gegenseitig. Der so gebildete Raum öffnet sich zum Himmel. Es hat aber auch eine Öffnung im Boden. Durch diese gelangen die Besuchenden über eine schneckenförmig gewundene Treppe in einen darunterliegenden, trichterförmigen Erdraum, entlang dessen sich eine Sequenz mit drei Räumen eröffnet: ein erster kleiner runder Raum, in den das Tageslicht gleichmässig von oben eindringt und in dem eine Bibel aufliegt. Ein zweiter Raum wird mit Kerze, matt spiegelnder Wandfläche und einem einzelnen Oberlicht inszeniert. Das ist der persönlichste Ort für die Besuchenden, denn dort werden sie mit sich selbst konfrontiert. Vom dritten Raum mit einem Anliegenbuch gelangt man schliesslich direkt hinaus in die Landschaft, die sich hinter einer raumhohen, rot eingefärbten Glasscheibe erstreckt. Dieser Raum öffnet sich in einem höhlenartigen Oval und erinnert dabei an die frühchristliche und heidnische Kultstätte, die Archäologen in der Nachbargemeinde Zillis entdeckten. «Das Projekt ist für uns aussergewöhnlich, auch weil weder das Raumprogramm noch der Ort eindeutig festgelegt waren. Das ganze Konzept sollte nur aus dem Ort hier an dieser Strasse heraus entwickelt werden. Wir suchten nach einer Architektur, welche die sinnliche Wahrnehmung des Menschen schärft – und zwar in Bezug auf den Ort, die Natur und auf sich selbst», sagt Jacques Herzog.
Unterstützung durch die Landeskirchen
Die Landeskirchen unterstützen das Vorhaben. Die Dekanin der Evangelisch-reformierten Landeskirche Graubünden lässt sich wie folgt zitieren: «Die A13 ist eine Durchgangsstrasse, ein Bild für unsere oft schnelle Lebensreise. Diese Autobahnkirche schenkt unserer Sehnsucht Raum. Sie durchkreuzt unser Leben auf eine besondere Weise. Der Eintritt in die Kirche ist ein Gang in die Tiefe, nach oben hin offen. So kommt es zum Augenblick der Einkehr: Die Horizontale der Strasse verbindet sich mit der Vertikalen – ein Kreuz, das Menschen unterwegs zum Eigentlichen des Lebens führt.»
Aus touristischer Sicht stellt die geplante Autobahnkirche einen attraktiven Anziehungspunkt dar, der sich gut in die bestehende Strategie einbetten lässt. Die IG Autobahnkirche Andeer – Val Schons rechnet damit, dass die Besuchenden der Autobahnkirche vermehrt auch weitere Sehenswürdigkeiten im Tal besichtigen und damit willkommene wirtschaftliche Impulse setzen werden. Ziel ist es, den Rohbau der Autobahnkirche bis Ende 2022 fertigzustellen.



