Die Qual der Wahl

Das Angebot an Software in der BIM-Welt ist gross. Softwarelieferanten haben ihre Anwendungen stark erweitert und angepasst. Diese Neuerungen gilt es maximal zu nutzen.

Software in der BIM
Gute Software bringt gute Architektur und optimierte BIM-Prozesse perfekt in Einklang. Grafik: Holzer Kobler Architekturen
Von Tobias Heimpel
Das Angebot an Software in der BIM-Welt ist gross. Softwarelieferanten haben ihre Anwendungen stark erweitert und angepasst. Diese Neuerungen gilt es maximal zu nutzen.

Es sind die bekannten Unternehmen wie Allplan, Archicad, Autodesk, Vectorworks, Plancal nova oder Revit, die bereits vor Jahren begonnen haben, ihre Anwendungen der BIM-Methodik anzupassen. Diese Transformation ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Denn BIM ist vor allem eine Methode für eine organisierte Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten. Doch dieses Ziel ist noch nicht erreicht. Dazu müssen Fachmodelle der einzelnen Planer zusammengeführt und weitergegeben werden. Hierfür stehen neben Cloud-basierten Plattformen auch spezialisierte Anwendungen bereit, um 3D-Modelle auf Basis des offenen internationalen wie auch nationalen Industry Foundation Classes Standard (IFC, nach SN EN ISO 16739 normiert) für die Zusammenarbeit zu nutzen. Um über die Planung hinaus konkrete Mehrwerte zu schaffen, muss der digitale Informationsaustausch auch auf die Baustelle ausgedehnt werden. Erst dies bildet die Grundlage für die dringend erforderliche Produktivitätssteigerung. Denn während die Industrie in den vergangenen Jahren dank Digitalisierung einen Produktivitätszuwachs von über 150 Prozent verzeichnen konnte, stagniert das Baugewerbe. Im Ergebnis stehen bewährte und bestens geeignete Werkzeuge wie CAD für den Architekten, die Fachplanung und andere Spezialisten am Arbeitsplatz bereits zur Verfügung. Ein teurer und aufwendiger Wechsel des Lieferanten ist oftmals nicht erforderlich. Selbst Themen wie Zusammenarbeit und Informationsaustausch sind – zumindest technisch – weitestgehend gelöst. Kulturelle Herausforderungen wie der Umgang mit geordneten Prozessen, gutem Produktionsmanagement und dadurch mit mehr Transparenz werden dagegen noch dauern. Digitales Planen und Bauen sowie die entsprechende Bewirtschaftung von Bauwerken werden also in Zukunft die Arbeit in den Architektur- und Planungsbüros der Schweiz prägen. Die BIM-Methode verändert die gesamte Welt des Planens, Bauens und Bewirtschaftens – die Schweiz wird keine Ausnahme sein. Es muss verstanden werden, dass BIM mehr ist als digitale Planung, nämlich eine Methode, die entlang der Wertschöpfungskette «Planen – Bauen – Bewirtschaften» zu Kosteneinsparungen führen soll. Immer öfter wird sogar der Rückbau einbezogen. Eine Erwartung, die nach den ersten Jahren digitalen Bauens – man müsste besser sagen «digitalen Planens» – noch nicht realisiert wurde. So erklärte Christoph Köbelin, von Computer-Works nach der Zukunft gefragt, dass auf der Baustelle vermehrt Technologien zum Einsatz kommen werden wie 3D-Laser oder auch Roboter, welche die mit zusätzlichen Informationen verknüpften 3D-Daten auch für die spätere Bewirtschaftung des Gebäudes nutzen. Die Planungssoftware stellt heute Möglichkeiten zur Verfügung, deren tatsächliches Einsatzpotenzial noch in den Kinderschuhen steckt. Im internationalen Vergleich hat die Schweiz hier Nachholbedarf. Doch das ist entscheidend, um die Wirtschaftlichkeitserwartungen an BIM zu erfüllen.

«Die BIM-Methode wird in der Schweiz zwar schnell verstanden, bei der Implementierung harzt es jedoch enorm. Der Leidensdruck ist noch zu klein, um die Komfortzone zu verlassen.» Peter Scherer, Leiter des Instituts «Digitales Bauen» an der FHNW

Was sind die Anforderungen der Zukunft? Peter Scherer, der ehemalige Geschäftsführer des Vereins «Bauen Digital Schweiz», erklärt hierzu: «Die BIM-Methode wird in der Schweiz zwar schnell verstanden, bei der Implementierung harzt es jedoch enorm. Der Leidensdruck ist noch zu klein, um die Komfortzone zu verlassen.» Scherer leitet heute den MAS Digitales Bauen am gleichnamigen Institut der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). Auf konkrete Nachfrage ist bereits zuvor Geschriebenes zu hören: Dass die Softwarelieferanten längst BIM-fähige Lösungen haben, aber dass es um mehr gehe. Die BIM-Methode darf nicht auf die technischen Aspekte reduziert werden. Denn auch das wird nach den ersten BIM-Erfahrungen in der Schweiz deutlich: Die Übergabe und Verwendung der Informationen beim tatsächlichen Bauen ist noch lange nicht am gewünschten Ziel. «Wir brauchen die digitalen Daten auf der Baustelle, immer aktuell, um die möglichen Einsparungen bei gleichzeitiger Qualitätssteigerung zu realisieren», weiss Dieter Greber, CEO der Leuthard-Unternehmensgruppe, die erste Bauvorhaben komplett nach der BIM-Methode entwickelt hat und eines der führenden Bauunternehmen bei der Digitalisierung in der Schweiz ist.

Genau hier sieht auch Peter Scherer den Bedarf der Zukunft: «Die digitale Zusammenarbeit beim Planen und Bauen ist heute möglich und wird sich noch weiterentwickeln. Die Softwareanbieter müssen bessere Lösungen für Zeit- und Kostensimulationen sowie für die Zusammenarbeit mit der Baustelle entwickeln. Dabei geht es vor allem um die Abstraktion der Technik – und damit um die Interaktion von Mensch und Maschine. Hier wird in naher Zukunft künstliche Intelligenz Abhilfe schaffen.» Und weiter: «In der Organisation der Prozesse auf der Baustelle liegt ein grosses Potenzial. Dieses kann nur erschlossen werden, wenn die Planung endlich dort abgeschlossen wird, wo sie hingehört. Das bedingt neue Zusammenarbeitsformen, die wir heute so in der Schweizer Praxis noch nicht kennen.»

Das neue Zauberwort: Zusammenarbeit

Entscheidend – darin sind sich alle einig – sind alle Themen rund um die Zusammenarbeit. Die 3D-Modelle der Architekten, Fachplaner und Spezialisten müssen zusammengeführt werden. Die generelle Idee einer All-in-one-Anwendung (stellvertretend für Closed BIM) für alle Projekte und Arten der Abwicklung wird sich langfristig nicht halten können. Dem entgegen steht der Informationsaustausch über offene Standards – der Open-BIM-Ansatz. Ob A360 von Autodesk, BIM-Plus von Allplan oder TrimbleConnect – die «verfügbaren Projektzusammenarbeits-Lösungen» bieten als Cloud Services heute mehr als das Speichern der Informationen. So beschreibt Trimble seine Plattform als Open-BIM-Plattform mit Projektdaten über den kompletten Lebenszyklus eines Bauwerks. Ob im Büro oder auf der Baustelle, auf dem Desktop-Rechner, Tablet oder Smartphone – sämtliche 2D- und 3D-Projektdaten können von Teammitgliedern in Echtzeit abgerufen, kommentiert und prozessorientiert verwendet werden. Konkret: Die neuen Cloud-basierten Plattformen bieten Dienste wie «Clash Detection» an – also das automatische Aufspüren von Fehlern, die immer entstehen, wenn verschiedene Projektbeteiligte dezentral planen. Bei BIM laden oder referenzieren die Planer – meist im IFC-Format – ihre jeweiligen 3D-Modelle in eine gemeinsame Cloud. Dort werden sie zusammengeführt und automatisch analysiert. Es entsteht das BIM-Modell, das dank Cloud und beispielsweise Datenbrille Hololens von Microsoft virtuell und gemeinsam im 1 : 1-Massstab erlebbar wird. Auch hier ist die Digitalisierung weit fortgeschritten, und die Anwendungen werden laufend weiterentwickelt und verbessert.

Die Anforderung heisst Ausführungsmodell

Es bleibt jedoch die Problematik der Ausführung, also die Verfügbarkeit und Verwendbarkeit der Daten auf der Baustelle, entscheidend für die Realisierung von Einsparpotenzialen durch BIM, die nur beim tatsächlichen Bauen – also vor Ort auf der Baustelle – realisiert werden können. Hier positioniert sich die Anwendung Tekla Structures, die sich als Drehscheibe zwischen Planung und Bauen versteht. Markus Tretheway, seit kurzem Geschäftsführer der BuildingPoint Schweiz AG und für Tekla Structures in der Schweiz zuständig, merkt an, dass in der Schweiz bereits mit 3D und Attributen gearbeitet wird, zukünftig aber parametrische BIM-Ausführungsmodelle benötigt werden, um die Anforderungen der Bauwirtschaft zu erfüllen. Konkret gemeint ist damit die Schnittstelle zur Baustelle (BIM2Field). Alle Daten, Schnitte und Pläne müssen hierfür aus den BIM-Modellen aktuell – also immer mit den letzten Änderungen – aus dem Cloud-basierten 3D-Modell ohne grossen Aufwand ableitbar sein. Denn die Planungsmethode BIM ist mehr als die Digitalisierung von bisher papierbezogenen Prozessen in der Planungsphase. Parametrik ist ein weiteres Wort, das eine wichtige Bedeutung in der BIM-Welt hat. Der Gedanke: Bauteile in digital konstruierten Gebäuden – nichts anderes ist das 3D-BIM-Modell – rechnen sich bei Änderungen selber neu und passen sich der Umgebung automatisch an. «Unerlässlich für aktuelle Daten, die wir auf der Baustelle jeden Tag brauchen», kommentiert Dieter Greber von Leuthard. Wer hier tatsächlich die bessere Lösung bietet und in Sachen Funktionalität ein effizientes Änderungsmanagement gewährleistet, kommt stets auf die Anwendung an. Der Bereich «BIM to Field» stellt hier andere Anforderungen und Lösungen als die Haustechnik oder das BIM2FM. Änderungen zum BIM-Prozess müssen immer aktuell im 3D-Modell aktualisiert werden. Es gilt der Grundsatz «Gebaut wie geplant». Ansonsten sind die BIM-Modelle weder auf der Baustelle noch beim späteren Betrieb eines Gebäudes etwas wert. Womit sich wieder der Kreis zur Zusammenarbeit schliesst. Digitalisierung bedeutet das abgestimmte Miteinander von Spezialisten, die eben Spezialisten bleiben sollen. Das gilt auch für deren Anwendungen. Allrounder und Alleskönner sind nicht gesucht, sondern es ist das Miteinander.

Die intelligente Zusammenarbeit

Ein gemeinsamer Standard zum Datenaustausch wurde mit IFC gefunden. Hier hat sich ein neuer Markt etabliert. Kleine und smarte Softwarelösungen erlauben ein effizientes Datenmanagement, denn auch das ist zu beachten: Nicht alle Daten, beispielsweise eines Architekturmodells, werden im 3D-BIM-Modell in jeder Phase benötigt, die Datengrösse eines Projekts wächst längst in Terabyte-Dimensionen. Und kein Planer will sich in seiner Anwendung durch die Daten der anderen Projektbeteiligten kämpfen. Hierzu ist das digitale Datenmodell in Layer unterteilt, die jedem Gewerk seinen getrennten und vertrauten Arbeitsbereich sichern. Alle diese Anforderungen werden durch den Open-BIM-Ansatz, verbunden mit Cloud-basierten Plattformen und Services, bestens erfüllt. Die Entscheidung für die richtige Software ist daher nicht sehr schwierig: am besten bei der bestehenden Anwendung bleiben, vorausgesetzt, die Themen Zusammenarbeit und intelligente Cloud sind adressierbar. Zudem wird Parametrik eine der entscheidenden Funktionen sein. Genau wie die Möglichkeit, Daten an Endgeräte auf der Baustelle zu übergeben; Totalstationen oder Maschinensteuerungen sind hier nur zwei Beispiele.

Inwiefern hier wirklich durchgängige Wertschöpfungsprozesse und optimierte BIM-Workflows von den Softwareanwendungen unterstützt werden, lässt sich schwer evaluieren. Am Ende ist immer nur entscheidend: Wurde gebaut wie geplant? ●

Software in der BIM Grafik1
Der entscheidende Unterschied von klassischer CAD-Zeichnung und parametrischem BIM-Ausführungsmodell ist die digitale Konstruktion mit allen Details und Informationen zu einem Bauteil und zu einem Bauwerk. Diese Informationen können von verschiedenen Stakeholdern entlang der Wertschöpfungskette eingesetzt werden. Grafik: Tekla Structures
Software in der BIM software
Dank Cloud-basierten Diensten wie A 360, Bimplus oder Trimble Connect werden die Fachmodelle und Daten der einzelnen Planer für alle Projekt-Beteiligten einsehbar – Grundlage für die digitale Zusammenarbeit oder neudeutsch Kollaboration. Grafik: Allplan Bimplus
Software in der BIM
Digitale BIM-Daten werden auch auf der Baustelle benötigt, beispielsweise beim Abstecken von Punkten und Linien mit Robotic-Totalstationen. Foto: BuildingPoint Schweiz AG
Software in der BIM
In den Cloud-basierten Plattformen lassen sich die verschiedenen Daten und Informationen zusammenführen und dem Bedarf entsprechend als Fach- oder Teilmodelle darstellen. Grafik: terra vermessungen ag
Software in der BIM
Im Tiefbau werden dank modernen Maschinensteuerungssystemen digitale Daten schon seit Jahren verwendet, um effizienter und präziser arbeiten zu können. Foto: SITE.CH Schweiz AG
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