Verdichtung erhöht Druck auf Kulturobjekte

Das 2014 in Kraft getretene Raumplanungsgesetz ist ein wirksames Instrument gegen die Zersiedlung. Es fördert die Siedlungsentwicklung nach innen und verlangt einen haushälterischen Umgang mit dem knappen Gut Boden.

Plänen des Architekten
Alters- und Pflegeheim Grossfeld, Kriens, erbaut 1966 – 1968 nach Plänen des Architekten Walter Rüssli.
Wert des Kulturerbes
Von Cla Büchi (Text) und Otto Pfeifer (Bilder)

Das 2014 in Kraft getretene Raumplanungsgesetz ist ein wirksames Instrument gegen die Zersiedlung. Es fördert die Siedlungsentwicklung nach innen und verlangt einen haushälterischen Umgang mit dem knappen Gut Boden. Der wird bei zunehmender Urbanisierung engmaschiger, kostbarer und will optimiert ausgenutzt sein. Bestehende Bauten und Strukturen geraten dadurch unter Nutzungsdruck. Dies trifft auch die Kulturobjekte, die sich der zunehmenden Ökonomisierung ausgesetzt sehen. Kulturelles ist im besonderen Masse befähigt, Identität zu stiften und Atmosphäre zu erzeugen. Bauliche Kulturobjekte repräsentieren die Geschichte eines Ortes und ermöglichen den Bezug zu dieser. Auch sind sie Erinnerungszeugen und tragen zur Verwurzelung und Beheimatung bei. Grossflächige städtebauliche Erneuerungen in einem Siedlungsgebiet führen oft zu Entwurzelungserscheinungen und bei älteren Generationen zu Tendenzen der Vereinsamung, da ihnen die gewohnten Bezugspunkte abhandenkommen und sie sich nicht mehr zurechtfinden. Das sind Faktoren, die in den Strategien grosser Entwicklungsträger selten Beachtung finden. Aber für die gesellschaftliche Entwicklung und das soziale Gefüge hat das durchaus Konsequenzen, die auch kompensatorische Massnahmen nach sich ziehen können.

Fehlende Lobby für Kulturerbe

Während im urbanen Raum kleinräumige Strukturen durch Zusammenlegung von Parzellen aufgelöst und damit die Voraussetzung für Grossüberbauungen geschaffen werden, beschneidet man die Mittel und Einflussmöglichkeiten der Denkmalpflege sowie der Natur- und Heimatschutzkommissionen. Die kantonale Denkmalpflege Luzern hat in den letzten sechs Jahren Budgetkürzungen von 40 Prozent hinnehmen müssen, und das ist in der Schweiz kein Einzelfall. Zum einen schränken Budgetkürzungen den Handlungsspielraum ein, zum anderen trägt die innere Verdichtung zur Wertsteigerung des Bodens und zu einem Investitionsdruck bei, der den Denkmalpflegen zusätzliche Arbeit beschert, die sie aus Kapazitätsgründen kaum mehr bewältigen können. Daraus resultieren Wartefristen, die wiederum die Wahrnehmung von Bevölkerung, Politik und Bauträgern gegenüber der Denkmalpflege negativ beeinflussen – ein Teufelskreis. Angetrieben von der Dominanz der Eigentumsfreiheit, sinkendem Gemeinsinn, umgreifender Ökonomisierung und den sich jagenden Sparpaketen hat das ganz konkret Auswirkungen auf den Bestand von erhaltens- oder schützenswerten Bauten.

In Kriens mit rund 27 000 Bewohnern wird das kommunale Inventar der Kulturobjekte in das kantonale Inventar überführt. Bisher wies das Inventar knapp 400 Objekte auf. Nach der Überführung werden es, unter anderem auf politischen Druck, nur noch 274 Objekte sein. Rund ein Drittel der Objekte wird also aus dem Inventar entlassen. Und selbst auf Objekte, die im Inventar bleiben, ist der Druck unvermindert hoch. Aktuell wird gegen den Willen der Denkmalpflege ein im Inventar als schützenswert eingestuftes Alters- und Pflegeheim aus den 60er-Jahren zum Abbruch freigegeben. Und weitere inventarisierte Bauten im Ortszentrum sind wegen grösserer Überbauungen gefährdet.

Politische Isolierung

Die Denkmalpflege findet sich zusehends politisch isoliert. Im Spannungsfeld von Verdichtung, erhöhtem Nutzungsdruck, Bauwirtschaft, Ökologie und Energiewende verlieren sie die Akzeptanz von rechts bis links und werden in die Ecke des Verhinderers gedrängt. Dagegen treten nach erfolgten Strukturbereinigungen institutionelle Bauträger wie Generalunternehmungen, Pensionskassen und Immobiliengesellschaften auf den Plan. Motor der baulichen Entwicklungen sind langfristige Investitionsanlagen mit gesicherten Renditen bei den einen, kurzfristiges Gewinnstreben bei den anderen. Was gebaut wird, bestimmen Marktanalysen, gestützt auf Renditeberechnungen und Bedürfnisse einer prognostizierten künftigen Konsumgesellschaft. Dass in diesem Marktumfeld Kulturobjekte einen schweren Stand haben, liegt auf der Hand. Und weiteres Ungemach droht mit der kommenden Vorlage der Änderung des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz. Sie will den Schutzumfang der Bundesinventare und die Bedeutung der Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission sowie der Kommission für Denkmalpflege einschränken.

Erfreulicher ist da die Beteiligung der Schweiz am «Europäischen Jahr des Kulturerbes». Initiiert durch die EU, soll das Jahr 2018 auf die fundamentale Bedeutung des Kulturerbes für alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens aufmerksam machen. In einer Pressemitteilung weist die unter dem Patronat von Bundesrat Alain Berset stehende Initiative auf die vielfältigen Facetten des Kulturgutes hin. Es ist Teil unseres Lebensraums, erzählt Geschichten und stiftet Identität. Der Bund und ein breit aufgestellter Trägerverein wollen mit einer Reihe von Projekten und Veranstaltungen die ganze Bevölkerung in einen breiten Dialog über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft einbeziehen. Informationen und Möglichkeiten zur Partizipation finden sich unter

kulturerbe2018.ch Der vorliegende Artikel gehört zur Reihe «Verdichtet bauen», einer Zusammenarbeit von «Architektur +Technik», Creafactory, Agentur für Immobilien kommunikation, und der HIG Immobilien Anlage Stiftung.

Plänen des Architekten
Konsequent gestaltete Sichtstahlbetonkonstruktion mit skulpturaler Ausstrahlung. Wechselspiel von offener und geschlossener Fassade. Bis heute weitgehend im ursprünglichen Zustand.
Cla Büchi
Cla Büchi ist Architekt mit Büro in Luzern, engagiert sich in verschiedenen Gremien für Stadtentwicklung und schreibt über Architektur und Städtebau.
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