«Nachhaltig muss zum neuen Normal werden!»
Arup Foresight beschäftigt sich mit komplexen Fragestellungen, die einen vorausschauenden und ganzheitlichen Blick auf die Zukunft erfordern. Unser interdisziplinäres Team identifiziert Trends und Themen, die einen wesentlichen Einfluss auf die Gesellschaft und die gebaute Umwelt haben.
Arup Foresight beschäftigt sich mit komplexen Fragestellungen, die einen vorausschauenden und ganzheitlichen Blick auf die Zukunft erfordern. Unser interdisziplinäres Team identifiziert Trends und Themen, die einen wesentlichen Einfluss auf die Gesellschaft und die gebaute Umwelt haben. Indem wir das Bewusstsein für zukünftige Herausforderungen schärfen, unterstützen wir unsere Kunden dabei, kreative Lösungen zu entwickeln und Risiken besser zu managen. Mithilfe von Szenarien lässt sich sehr gut verdeutlichen, welche Auswirkungen verschiedene Handlungsoptionen auf die Zukunft haben werden. Bei der nachhaltigen Entwicklung unserer Städte geht es, abstrakt gesehen, darum, die Bedürfnisse der wachsenden Weltbevölkerung mit den ökologischen Grenzen unseres Planeten ins Gleichgewicht zu bringen. Die Studie soll Städten und Kommunen sowie Architekten und Stadtplanern als Entscheidungshilfe dienen.Der Gebäudesektor ist für 40 Prozent des Energieverbrauchs und für 30 Prozent der CO₂-Emissionen verantwortlich. Halten Sie einen klimaneutralen Gebäudebestand in Deutschland bis 2050 für realistisch?
Im Neubau ist das durchaus realistisch. Know-how und Technik zum Bau klimaneutraler respektive klimapositiver Gebäude sind vorhanden und werden weitestgehend umgesetzt. Zudem hat bei Investoren und Planern ein Umdenken stattgefunden. Mut machen Initiativen wie «Phase Nachhaltigkeit», die von der Bundesarchitektenkammer und der Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen Ende 2019 ins Leben gerufen wurde. In ihr haben sich über 100 Architekten und Planer zusammengeschlossen, um Nachhaltigkeit zum neuen Normal zu machen. Vielen Menschen ist es immer wichtiger, dass Gebäude, in denen sie leben oder arbeiten, nachhaltig sind.
90 Prozent der Gebäude in Deutschland sind Bestandsbauten, die nicht mehr den aktuellen Energiestandards entsprechen. Reichen 30 Jahre aus, um den Bestand klimaneutral zu sanieren?
In Bestandsgebäuden steckt in der Tat das grösste Einsparpotenzial. Statt die Sanierung auf einzelne Gebäude zu reduzieren, plädieren unsere Experten für eine energetische Stadterneuerung mit quartierübergreifenden Energiekonzepten: Nah- und Fernwärmenetze, die Haushalte mit regenerativ erzeugter Energie versorgen, innovative Insellösungen mit Wärme-Kraft-Kopplung (WKK) oder die energetische Kompensation zwischen Alt- und Neubauten reduzieren den Primärenergiebedarf der Gebäude im Quartier. Dieser Ansatz ermöglicht eine effiziente, hochwertige Modernisierung, senkt die Sanierungskosten pro Gebäude und erhöht die Chance, dass die Sanierung des Gebäudebestands in 30 Jahren abgeschlossen ist. Insgesamt ist wichtig, dass sich der Fokus mehr und mehr weg von der reinen Energieeffizienz hin zu einer Emissionsbetrachtung entlang des gesamten Lebenszyklus verschiebt. Nur so lässt sich langfristig eine Entkopplung zwischen städtischer und wirtschaftlicher Entwicklung, dem Verbrauch von Ressourcen und den damit verbundenen CO₂-Emissionen erreichen.
Wird der Green Deal der EU die klimaneutrale Stadterneuerung vorantreiben?
Davon bin ich fest überzeugt. Der politische Wille ist parteiübergreifend vorhanden, der regulatorische Rahmen für Planer und Investoren ist gesteckt, die entsprechenden Finanzmittel stehen zur Verfügung. In einem Volumen, das steuernde Wirkung haben wird und die Möglichkeit eröffnet, Pilotprojekte, die sich in Quartieren bewährt haben, auf den grossen Massstab zu übertragen. Mit dem Green Deal wird Nachhaltigkeit erstmalig zu einem Wirtschaftsfaktor. Und genau das wird die klimaneutrale Stadterneuerung vorantreiben.
In Ihrer Arup-Podcast-Folge «Klimaneutrale Städte» diskutieren Sie mit Dr. Christine Lemaitre, Vorständin der DGNB, und Prof. Dr. Philipp Bouteiller, Geschäftsführer der Tegel Projekt GmbH, unter anderem über das klimaneutrale Vorzeigequartier «Berlin TXL – The Urban Tech Republic». Was macht dieses Projekt so zukunftsweisend?
Es ist das erste Gewerbequartier in Deutschland, das von der DGNB mit Platin vorzertifiziert wurde. Herausragend ist unter anderem das innovative Energiekonzept. Die Versorgung erfolgt über ein neuartiges LowEx-Niedrigtemperaturnetz, in das sowohl die Abwärme der Nutzer als auch die selbst erzeugte regenerative Energie aus Blockheizkraftwerken, Solaranlagen und Geothermie eingespeist wird. Vorbildlich ist auch das auf Fussgänger und Radfahrer ausgerichtete Mobilitätskonzept, das den ÖPNV mit Mobility-Hubs verbindet. Das Prinzip der Schwammstadt hilft dabei, die Folgen der globalen Klimaerwärmung auszugleichen. Speziell bepflanzte Zonen sorgen dafür, dass Regenwasser gespeichert wird und dadurch das Quartier an heissen Tagen mit natürlicher Verdunstung gekühlt wird. Offensichtlich ist, dass nachhaltige Stadtentwicklung immer eine Betrachtung des Gesamtsystems erfordert – ein System, das nach den Prinzipien der Circular Economy also regenerativ ist und damit eine positive Wirkung entfaltet. ●
European Green Deal
Der «European Green Deal» ist das europäische Pendant zur Energiestrategie 2050 in der Schweiz, um den Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft zu ermöglichen. Als Ziele werden unter anderem verfolgt, dass bis 2050 keine Nettotreibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden und dass das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt wird.
Zur Person
Martin Pauli ist Leiter Foresight Consulting bei Arup in Deutschland. Gemeinsam mit seinem Team entwickelt er Strategien für neue Wertschöpfungsmodelle, Produkt- und Serviceinnovationen in den Bereichen Nachhaltigkeit und Circular Economy. In Folge 1 des Arup-Experten-Podcasts diskutiert er mit Dr. Christine Lemaitre, Vorständin der DGNB, und Prof. Dr. Philipp Bouteiller, Geschäftsführer der Tegel Projekt GmbH, über den Green Deal und seine Wirkung auf die Klimaneutralität unserer Städte. Zu finden ist dieser unter: