Kulturbauten  – Import und Export

Manuel Pestalozzi hat an der ETH Zürich Architektur studiert. Von 1997 bis 2013 war er Redaktor von Architektur+Technik. Anschliessend gründete er die Einzelfirma Bau-Auslese, die sich der Informationsvermittlung widmet.

Manuel Pestalozzi
Manuel Pestalozzi hat an der ETH Zürich Architektur studiert. Von 1997 bis 2013 war er Redaktor von Architektur+Technik. Anschliessend gründete er die Einzelfirma Bau-Auslese, die sich der Informationsvermittlung widmet.
Kulturbauten
Kulturbauten haben die Aufgabe, Auge und Ohr Ausserordentliches zu bieten. Die optischen Genüsse lassen sich trennen in animierte, oft auch geräuschvolle Darbietungen und das Ausstellen toter, meist lautloser Gegenstände. Die Architektur muss diesen Inszenierungen einen angemessenen Rahmen geben. Zur Königsklasse der Kulturbauten entwickeln sich je länger je mehr die Museen. Sie beherbergen eigene, bisweilen auch Teile fremder Sammlungen, haben fast immer Saison und lange, regelmässige Öffnungszeiten. Sie machen sich auch abseits der grossen sozialen Brennpunkte gut und haben die Chance, zu Pilgerstätten zu werden.

Schauspiel

Museen sind in mehr als einem Sinn Orte der Sammlung. Einerseits dienen sie als Depot dem Schutz der eingelagerten Gegenstände. Andererseits arrangiert man diese so, dass sie sich vom Publikum in ihrer ganzen Pracht erfassen lassen – in einem Moment der inneren Sammlung. Die Architektur hat mit den ausgestellten Objekten meist wenig zu tun. Die Kunst kommt nicht aktiv «aus ihr heraus», wie es bei Konzerten oder Theaterdarbietungen der Fall sein kann. Sie geht eher «in sie hinein». Das Aufeinandertreffen von Ausstellungsgut, Bau und Publikum ist in Museen nicht straff organisiert. Das Publikum hat viel Bewegungsfreiheit; es kann sich im individuellen Rhythmus dem Ausstellungsgut annähern. Das ist anspruchsvoll und wirkt mitunter eher einschläfernd als erquickend. Dennoch sind Ausstellungen ein Schauspiel, und die Architektur wirkt auf dessen Qualität ein.

Die ersten Museen waren in Palastanlagen integriert, oft als gedeckte Promenaden, auf denen sich Adlige verlustierten. Oder man widmete ausrangierte Paläste komplett der Kunst, wie es beim Louvre in Paris der Fall war. Man stellte aus, was man hatte – ob die Architektur der Wirkung der Werke gerecht wurde, war eher zweitrangig. Später wurden Museen explizit für ganz bestimmtes Sammelgut gebaut. Eines der bekanntesten Beispiele ist das Pergamonmuseum in Berlin, in dem die «Beute» aus Kleinasien so dargeboten werden konnte, wie es Fachleute für sinnvoll hielten. Auch hier haben sich Kunst und Architektur nicht wirklich gesucht: Die gezeigten Funde sind ihres Kontextes beraubt. Entsprechend verloren wirken diese Kulturimporte, wenn man ihnen in ihrer sterilen Isolation begegnet. Viele teilen diese Empfindung allerdings nicht. Museen, die exquisite Stücke präsentieren, erfreuen sich eines wachsenden Zustroms von Kunstbegeisterten, die oft längere Wege auf sich nehmen.

Filialen

Eine neuere Erscheinung in der Museumswelt ist die Einrichtung von Zweigniederlassungen. Die Tate Gallery betreibt solche in Liverpool und St Ives, das Guggenheim-Museum eine in der verglühten Industriestadt Bilbao nahe der Atlantikküste Spaniens. Und ein Louvre gibt es auch im nordfranzösischen Lens und seit November in Abu Dhabi. Teile der Sammlung werden exportiert. Mehr Menschen kommen dadurch mit ihr in Kontakt, die Standorte der Ableger erfahren eine Aufwertung. Eine Internationale der globalen kulturellen Werte ist am Entstehen, könnte man meinen. Stimmt das? Trotz der grundsätzlich lauteren Ziele fragt man sich, ob mit dieser Exportstrategie einer Vertiefung der Völkerverständigung wirklich gedient ist. Sammeln und Besitzen hat immer auch mit Prestige zu tun – das zeigt die neue Museumsarchitektur mehr als deutlich. Mit viel Dekor wird man zwar die Freude am Spektakel befriedigen, der Einsicht oder einem universellen Kultur- und Kunstsinn aber kaum zum Durchbruch verhelfen.

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