Identitätsstiftende Zweckentfremdung
Im Rahmen solcher Umnutzungen hat die Innenarchitektur die Aufgabe, mit Einbauten und Ausstattung eine Antwort auf die neuen Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer zu finden und ein sinnstiftendes Verhältnis zwischen Neuem und Bestehendem zu schaffen.
Was geschieht mit Gebäuden, die den heutigen Ansprüchen nicht mehr genügen? Was, wenn ihr ursprünglicher Zweck aufgrund von gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen obsolet wurde? Anstatt sie leer stehen zu lassen oder abzureissen, können sie einer neuen Nutzung zugeführt werden. So werden ehemalige Fabrikgebäude zu Wohnungen, eine Autogarage zu einem Restaurant mit Kino und Ausstellungsraum.Im Rahmen solcher Umnutzungen hat die Innenarchitektur die Aufgabe, mit Einbauten und Ausstattung eine Antwort auf die neuen Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer zu finden und ein sinnstiftendes Verhältnis zwischen Neuem und Bestehendem zu schaffen. Dabei ist die Rede nicht nur von historisch wertvollen Gebäuden; auch bei Alltags- und Zweckbauten ist Umnutzung ein grosses Thema. Bedingt durch das Tiefzinsniveau wird weiterhin Neues gebaut, wodurch die Leerstände zunehmen. Anstatt diese Gebäude langfristig leer stehen zu lassen, werden in den kommenden Jahren Umnutzungen der brachliegenden Bauten notwendig, wie die Bank Credit Suisse in ihrem Immobilien-Monitor für das Jahr 2017 prognostiziert. Seit einigen Jahren beobachtet das Bundesamt für Statistik eine deutliche Zunahme von Umbauten.
Vorübergehende Nutzung
Nicht nur Umbauten, sondern auch temporäre Zwischennutzungen liegen heute im Trend. Dies zeigen die vielen Pop-up-Stores, temporäre Geschäfte auf leer stehenden Büro- oder Verkaufsflächen. Ursprünglich entstanden sie aus einer Notsituation: Für kleine Marken wären die Innenstädte sonst zu teuer, um ihre Produkte hier anzubieten. Mittlerweile wird das Konzept jedoch auch zunehmend von Grosskonzernen genützt. Längst wurde in den Städten erkannt, dass diese vorübergehende Zweckentfremdung einen positiven Effekt für Eigentümer und Investoren hat, weil die neuen Aktivitäten einen Standort aufwerten.
Das alte Hallenbad an der Bireggstrasse in Luzern wird seit 2013 zwischengenutzt und steht einer Vielfalt von internen und externen Personen offen. Entwickelt wurde das Nutzungskonzept durch ein Netzwerk von Mitgliedern der freien Luzerner Kulturszene, verschiedenen Organisationen sowie Mitgliedern der Hochschule Luzern. Das Neubad, wie es heute genannt wird, verfügt über aussergewöhnliche Räume: Das grosse leere Schwimmbecken wird für Grossanlässe genutzt, im Nichtschwimmerbecken sind Co-Working-Arbeitsplätze untergebracht. Mit wenigen gezielten Eingriffen wurde eine Atmosphäre geschaffen, die den Charme des alten Hallenbades respektiert und dennoch nicht konservierend wirkt.
Innenarchitektur-Symposium
Zwischennutzungen stellen für die Innenarchitektur eine spezielle Herausforderung dar. Es gilt, mit oft geringen finanziellen Mitteln und reversiblen Massnahmen sowohl den technischen Anforderungen als auch den Ansprüchen an die neue Nutzung gerecht zu werden. Um- und Zwischennutzungen sind denn auch das Thema des ersten Innenarchitektur-Symposiums in der Schweiz mit dem Titel «Naked Space», das im Juni im Neubad Luzern stattfindet. Organisiert vom Institut Innenarchitektur der Hochschule Luzern in Zusammenarbeit mit der Association of Interior Architects aus Estland, stellt es verschiedene Konzepte von Um- und Zwischennutzungen, aber auch deren konzeptuelle und gestalterische Umsetzung vor und beleuchtet so die Frage, wie die Innenarchitektur mit dem «Re-Dressing» von «Naked Spaces» Identität schaffen und zu einem Mehrwert für den Standort beitragen kann.