Eine Zukunft für unsere Vergangenheit

Das Haus Tannen in Morschach ist mit Baujahr 1341 eines der ältesten Holzhäuser europaweit. Seine äussere Gestalt und das innere Raumgefüge wurden in den letzten 670 Jahren kaum verändert. Kürzlich wurde es instand gestellt und kann nun für Ferien gemietet werden. Bei der Sanierung legte man grossen Wert auf die Wahrung der baulichen Struktur, was bedeutet, dass die Deckenhöhe von 1,88 Meter in einzelnen Räumen und die alten, ausgetretenen Holzböden beibehalten wurden. Ergänzt wurden lediglich eine moderne Küche und Badezimmer.
Frage der Haltung
Es ist mir bewusst, dass solche Sanierungsaufgaben nicht zum alltäglichen Repertoire einer Architektin oder eines Architekten gehören. Weiterbauen ist jedoch eine Notwendigkeit, um bestehende Gebäude zu erhalten, und die Frage stellt sich, wie die zeitgemässen Bedürfnisse integriert werden können. Weiterbauen ist mit einer Haltung der Bauherrschaft und der Planenden gegenüber der Vergangenheit und dem Bestand verbunden. Wie soll sich das Neue im Alten zeigen oder manifestieren? Ist es eine harmonische Annäherung oder eine Neuinterpretation? Wie gross soll die Eingriffstiefe sein? Was soll erhalten und in die Zukunft gerettet werden? Aktuell werden sehr viele Wohnhäuser aus der Zeit um 1900 in den Innenstädten saniert. Während die Fassaden oftmals geschützt sind, gilt dies nicht für die Innenräume. So kommt es nicht selten vor, dass die knarrenden Holzböden durch Laminatböden und die alten, fugenlos verlegten Fliesen durch moderne Plattenböden ersetzt werden. Dabei vermitteln insbesondere Oberflächen und Materialien die Vergangenheit und machen den Charme dieser Wohnungen aus. Die Auseinandersetzung mit dem qualitätsvollen Weiterbauen an bestehenden Gebäuden ist daher längst nicht mehr nur eine Frage der Denkmalpflege. Es ist vielmehr eine ökologische und ökonomische Notwendigkeit vor dem Hintergrund knapper werdender Ressourcen und erhöhter Schadstoffbelastungen.
Spannende Herausforderung
Das qualitätsvolle Weiterbauen ist eine komplexe, aber auch spannende Bauaufgabe. Sie erfordert Verständnis für die Vergangenheit und auch Neugierde der Planenden, sich auf Gegebenes einzulassen, zu hinterfragen und adäquate Lösungen zu finden. Unter dem Druck des revidierten Energiegesetzes, das 2017 angenommen wurde, muss in nächster Zukunft vermehrt in die energetische Optimierung des Gebäudebestandes investiert werden. Die Bedenken sind berechtigt, dass nun viele Gebäude unreflektiert in eine dicke Schicht aus Wärmedämmung eingepackt werden und damit ein wesentlicher Teil unserer Baukultur dahinter verschwindet. Nicht nur Architektinnen und Architekten sind hierbei gefordert, sondern auch Ingenieure aus dem Bau- und Gebäudetechnikbereich. Das Ziel muss ein verantwortungsbewusstes Weiterbauen sein, bei dem alle beteiligten Fachleute gemeinsam nach konstruktiven Lösungen suchen. Umso wichtiger ist, dass die beteiligten Planerinnen und Planer entsprechendes Können und Wissen mitbringen, unter anderem auch in der Zusammenarbeit mit den anderen Disziplinen. Somit sollte sich auch die Ausbildung an den Hochschulen vermehrt und intensiver mit den Herausforderungen des Weiterbauens auseinandersetzen und die notwendigen Kenntnisse den Studierenden vermitteln, damit diese ihre Verantwortung wahrnehmen können.
PS: Als ich noch ein Kind war, verbrachten wir ein paar Mal unsere Ferien im Haus Tannen in Morschach, und es freut mich, dass es eine Zukunft für seine Vergangenheit gibt. ●