Eine Holzbrücke, welche die Autobahn überquert
Sie bildete das Eingangstor zu den Olympischen und Paralympischen Spielen 2024 in Paris: Die skulptural-minimalistische Solideo-Brücke über die A1 diente als Verbindung zwischen dem Mediendorf in Dugny und dem Sport- und Schulpark von Le Bourget – und sie wird ein wichtiges Erbe der Spiele bleiben. Nicht nur der Weg von Le Bourget und Dugny wurde dauerhaft verkürzt. Besser angebunden ist nun auch der Parc Georges-Valbon, die drittgrösste grüne Lunge der Îlede-France. Bedeutsam ist das Bauwerk zudem durch die unmittelbare Nähe zum Flughafen Paris-Le Bourget, der von vielen Regierungsvertretern regelmässig genutzt wird.

Das Ingenieurbüro Miebach steuerte zu dem Projekt seine Holzexpertise bei und übernahm die Planungs- und Entwicklungsarbeit für das französische Ingenieurbüro AIA Life Designers. Den Wettbewerb für die Brücke hatten sie 2020 zusammen mit dem Architekturbüro Explorations Architecture gewonnen. Im April 2024 wurde das Bauwerk fertiggestellt. «Eine Holzbrücke, die eine Autobahn überquert, ist in Frankreich absolut ungewöhnlich», betont Eli Mills, Projektingenieur des Ingenieurbüros Miebach in Lohmar. «Aber nachdem wir etwas Überzeugungsarbeit bei den Bauherren, der Société de livraison des ouvrages olympiques (Solideo), geleistet hatten, wurde das Projekt realisiert.»
Der verbreiteten Annahme, dass Holzbrücken weniger beständig wären als Stahl- oder Betonbrücken, widersprechen die Belastungstests, die im Rahmen der Planung durchgeführt wurden. Die neue Autobahnbrücke würde einem zweistündigen Brand unter ihr standhalten. «Wenn Stahl heiss wird, wird er weich und verliert seine Tragfähigkeit», erklärt Mills. «Das Holz jedoch karbonisiert im Kontakt mit Feuer und ist widerstandsfähiger.»
Das beteiligte Architekturbüro Explorations Architecture hatte sich durch eine Brücke inspirieren lassen, die IB-Miebach im deutschen Neckartenzlingen errichtet hat. Wie in Paris verleiht dort eine schräge Stütze dem Bauwerk seinen besonderen Schwung. Die Pariser Rad- und Fussgängerbrücke, die sich kühne 100 Meter über die Autobahn spannt, wurde mit französischer Douglasie umgesetzt. Es handelt sich um eine dreifeldrige Balkenbrücke mit getrepptem Holztragwerk aus blockverklebtem Brettschichtholz. Der Belag besteht aus Betonfertigteilen. Für die Geländer kam architektonisch geformter Rundstahl zum Einsatz, der Handlauf ist aus Stahl. Bei einer Breite von 4,50 Metern wurden rund 330 Kubikmeter Brettschichtholz verbaut. Ein wichtiges Detail der Konstruktion: Die eingeklebten Stäbe Resix wurden für alle konstruktiven Holzverbindungen verwendet.

Skulptural und schlicht
Das vom Planungsteam entworfene Bauwerk ist zugleich skulptural und schlicht. Als Inspiration diente die Minimal Art des Künstlers Carl Andre. Sowohl im Grundriss als auch im Schnitt entwickelt die Brücke eine Linie mit ausgewogenen Proportionen. Ihre visuelle Dynamik wird durch zwei geneigte Pfeiler verstärkt, die aus einem bewaldeten Kordon auf beiden Seiten der Autobahn herausragen und die Fahrbahnplatte wendig stützen. Die Gestaltung der Brücke gewährleistet maximalen Schutz des Holzes vor direktem Regen. So gibt es einen Überhang der Betonfahrbahn über die Holzbalken von 30 Zentimetern und eine Neigung der Balkenkanten um 30 Grad.

Der Aspekt der Nachhaltigkeit
Angestrebt wurde bei diesem Projekt, die CO₂-Belastung auf ein Minimum zu reduzieren – dies auch vor dem Hintergrund des Solideo-Ziels, den CO₂-Fussabdruck der Olympischen Spiele 2024 im Vergleich zu den Spielen 2012 zu halbieren. Für die Struktur aus übereinanderliegenden Holzlamellen kamen rund 400 Kubikmeter Douglasie aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern im französischen Morvan zum Einsatz, ein Material, auf das für infrastrukturelle Bauprojekte noch selten zurückgegriffen wird. Die Verwendung von Beton wurde auf die Fundamente, Pfeiler, Widerlager und Schürze beschränkt. Durch die Wahl eines hellen Farbtons für die Beläge wird die Sonnenabsorption und die Aufheizung der Struktur begrenzt. Auch die dichte Bepflanzung der Umgebung der Fussgängerbrücke trägt zur Abschwächung des Phänomens der städtischen Wärmeinsel bei. Die Aufschüttungen stammen aus Aushubarbeiten des Grossraums Paris. Durch diese Massnahmen beläuft sich die Bilanz des Projekts auf 1100 Tonnen CO₂-Äquivalent.