Ehrerweisung in Holz

Die Suisag – das zentrale Unternehmen der Schweizer Schweinebranche – bezieht sich mit ihrem neuen Hauptsitz gestalterisch auf den eigenen Tätigkeitsbereich. Hülle und eingesetzte Farbnuancen verweisen mutig auf ein sich im Schlamm suhlendes Hausschwein.

Der südöstlich des Städtchens liegende Allmendwald bildet eine grosse Kulisse. (Bilder: Daniela Burkart)

Schürch Architekten haben zusammen mit Eok Architekten ein Büro- und Verwaltungsgebäude realisiert, das in vielerlei Hinsicht speziell ist – und das nicht zuletzt seiner aussergewöhnlichen Holzgestalt wegen mit dem Iconic Award 2022 ausgezeichnet wurde. Entstanden ist ein moderner Hauptsitz für etwa 50 Mitarbeitende – zusammengeführte Arbeitsräume und miteinander räumlich geschickt verbundene Abteilungen mehrerer beteiligter Institutionen, welche alle die Interessen der schweizerischen Schweinehaltenden vertreten; ein hochwertiges, langlebiges Gebäude, jedoch ohne Prunk. Als Dienstleistungs- und Kompetenzunternehmen, das sich für Produkte und Dienstleistungen in den Bereichen Genetik, künstliche Besamung und Tiergesundheit einsetzt, erhält die Suisag ein polyvalentes Zentrum, in dem sich auch die Abteilungen Verwaltung, Verkauf und Informatik konzentrieren.

Stark geprägt

Der insgesamt vierstöckige Bau, in dem unter anderem ebenso die Geschäftsstelle der Suisseporcs als Verband der Schweizer Schweineproduzenten untergebracht ist, soll als moderner neuer Hauptsitz mehr Fachkräfte aus dem Ausland nach Sempach locken und zukünftig Dreh- und Angelpunkt der Schweizer Schweinebranche sein. Sempach liegt eingebettet zwischen mehreren Waldgebieten und in der Landschaft des Sempachersees. Die vorherrschende Siedlungsstruktur ist stark geprägt durch die dichte mittelalterliche Altstadt an der alten Gotthardroute. Und die Gemeinde tut einiges für ihre ortsbauliche Entwicklung, für die sorgfältige und zeitgemässe Weiterentwicklung ihrer historischen Ortskerne von nationaler Bedeutung. Dafür erhielt die Luzerner Kleinstadt 2017 den Wakkerpreis vom Schweizer Heimatschutz.

Architektur mit Strahlkraft

Sempach hat auf der einen Seite ineinanderfliessende, zusammenhängende Wohnquartiere und bindende Ortskerne, auf der anderen Seite abseitig gewachsene Industriegebiete zu verkraften. Das Allmend-Areal ist ein solches autonomes Gebiet, das mit der Ansiedlung von Betrieben in den Siebzigerjahren begonnen hatte – disperse Bebauungsmuster, gesichtslose, teils unförmige Blechkisten. Konglomerate eben aus unattraktiven Gewerbebauten, faden Ställen, Hallen und zweckmässigen Zivilschutzanlagebauten. An diesem Planungsort war zweifellos Architektur mit Strahlkraft gefordert.

Der südöstlich des Städtchens liegende Allmendwald bildet eine grosse Kulisse für das neue Bürogebäude. Immer wieder holen die Räume – etwa der integrierte Konferenzraum für umfangreiche Veranstaltungen – das Baumpanorama, den dichten Waldrand und die sich weit in die Tiefe ausdehnenden Grünflächen ins Gebäudeinnere und ermöglichen den ruhigen, stimmungsvollen Weitblick. Dahin orientieren sich ebenso die öffentlichen Freiräume wie die zum Verweilen einladende Terrasse am Gebäudeende. An der Peripherie des Areals positioniert sich der Baukörper und vermittelt durch seine präzise Setzung zwischen den vorhandenen, wie zufällig gestreut wirkenden Bauten. Ein Auftakt, der die Allmend zum Besseren transformiert respektive das Dahinter und Daneben zu einem zukünftig optimierten Ortsumgang verpflichtet; ein zeichensetzendes Anfangsgebilde, das die Arealstruktur schärft respektive dem städtebaulich diffusen Siedlungsteppich Schärfe gibt, dem Ort eine andere Wahrnehmung zuführt und eine neue Identität verleiht. Und zugleich ein optischer Auftritt, der dem Gebäude selber eine einprägsame Adresse gibt.

Zwei weitläufig ausgeschiedene Baufelder entlang der Gotthardstrasse definierten das Baufenster, dem ein Gestaltungsplan zugrunde liegt, welcher auch die Gebäudehöhe vorgab. Die Peripheriesetzung bereinigt die interne Arealerschliessung und schafft begrünte Parkplätze. Diese funktionieren – zusammen mit dem öffentlichen Bereich und dem Bürogebäude – entkoppelt vom geschützten Stallkomplex der Mast- und Schlachtleistungsprüfung. Zudem sorgen elektrische Schiebetore sowie Desinfektionsgruben bei den beiden Zufahrten für eine hohe Biosicherheit, was insbesondere im Zusammenhang mit der für Schweine hochansteckenden Afrikanischen Schweinepest wichtig ist.

Standortzentriert und zeitgemäss

Mit einer Grundfläche von 556 m2 und einem Gebäudevolumen von 9353 m3 ist das Gebäude sehr kompakt konzipiert und mit der Hybridbauweise mit tragenden Betonelementen sowie einer vorgehängten Fassade aus Schweizer Holz energiesparend konstruiert. Diese attraktive Kombination, verbunden mit einem thermoaktiven System für ein optimales Gebäudeklima, bildet die bauliche Basis für eine angenehme, helle und flexible Arbeitsplatzgestaltung. Auf drei Etagen bietet der Bürokomplex Raum für standortzentrierte, zeitgemässe Arbeitsplätze – flexibel unterteil- respektive variabel umstellbar als Open Space oder Einzelbüros ob des eingesetzten Raumrasters, der vorhandenen Anschlüsse und der Trennwände in Leichtbau. Im jetzigen Betrieb sind die Büros mit «Zweibünder» inklusive mittigem Kern für Nebenfunktionen ausgestattet. Eine zentral angeordnete Wendeltreppe aus Beton – stabil und schwingungsfrei – verbindet die Etagen.

Suhlend

Sorgfältig eingesetzte Details – etwa eine die Korridorwege weisende Beleuchtung an den Decken – zeichnen die Innenraumgestaltung aus. Das Erdgeschoss organisiert den grosszügigen Cafeteria- und Begegnungsbereich, das Untergeschoss den Inhouse-Fitnesspark, der zur aktiven Erholung der Mitarbeitenden beiträgt.

Tragende Bauelemente wie Stützen, Kernwände und Decken in Stahlbeton mit sichtbar bleibender Oberfläche bilden das Rückgrat des Gebäudes. Simplizität im Ausbau und dennoch Farbigkeit zeichnen es aus – sowohl innen wie auch aussen. Zart, leicht getönte Oberflächen binden das Gefüge optisch. Während sich die Bürogeschosse farblich dezent zurückhalten – der sanfte Grünton des Teppichs, die mintfarbene Gestaltung der Innenwände –, kontrastiert das öffentlich zugängliche Erdgeschoss diese mit eher hervorstechenderen Altrosatönen – vom leichten Rosa-Grau-Ton bis zur kräftigeren Altrosa-Variante im Konferenzzimmer. Farben, die sich an der Fassade wiederholen. Wie der Innenraum basiert auch die Farbgebung der Gebäudehülle auf einem von der bildenden Künstlerin Angelika Walthert eigens für dieses Objekt entwickelten Farbfächer. In Anlehnung an den Tätigkeitsbereich der Bauherrschaft sollen die hergeleiteten Farben und ihre Nuancen auf ein sich im Schlamm suhlendes Hausschwein verweisen. Es brauchte Überzeugungsarbeit dafür, dass die Baukommission den Vorschlag durchwinkte. Die Nuancen reichen von Schlammgrau über Rosa bis Altrosa. Jedes Fassadenband ist einzigartig komponiert und sequenziert, und je nach Betrachtungswinkel lösen sich die Holzlisenen zu Farbflächen auf oder bilden Akzente.

Reliefartige Gliederung

Die aussen sichtbaren, verkleideten Holzrahmenelemente, die dazwischen abgebildeten Stützenpilaster und die in den horizontalen, die Geschossigkeit betonenden Brüstungsbändern versorgten Lisenen gliedern die Fassade, die einen Zustand zwischen Tektonik und abstraktem Gitter vermittelt. Die Attikablende ist mit einem schützenden Vordach versehen. Die überhohen Storenblenden sowie die Brüstungsblenden im Erdgeschoss sind mit dunklen Metallblechen verkleidet. Die Pilaster im Erdgeschoss laufen ohne Brüstungsband bis zum Boden; sie lassen das Erdgeschoss somit höher und prominenter in Erscheinung treten.

Die Holzfassade mit einer hinterlüfteten, sägerohen Holzschalung lässt die individuelle, reliefartige Gliederung der Elemente zu. Die Nutzenden beschäftigen sich mit Tieren, insbesondere der Zucht, der Forschung und der Gesundheit von Hausschweinen. Bei diesen handelt es sich um lebende Wesen und nicht um Nutztiere. Diese Haltung soll das Gebäude deshalb auch nach aussen tragen. Inneres Gefüge und Gestalt verschmelzen dabei durch den einheitlichen architektonischen Ausdruck zu einem einzigen architektonischen Gebilde. ●

Eine zentral angeordnete Wendeltreppe aus Beton verbindet die Etagen.
Das öffentlich zugängliche Erdgeschoss zeigt sich in hervorstechenden Altrosatönen.
Die Farbgebung der Gebäudehülle und der Innenräume basiert auf einem von der bildenden Künstlerin Angelika Walthert eigens für dieses Objekt entwickelten Farbfächer.
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