Berechnet und visualisiert

Das Online-Tool Amenti ermöglicht die rasche Erstellung von Machbarkeitsstudien und eine realitätsnahe 3D-Visualisierung der Gebäude. Mittels KI-basierter Berechnung können neu auch die Möglichkeiten von Photovoltaik an Gebäuden ergründet werden.

Farbliche Darstellung der Sonneneinstrahlung. Beim rechten Gebäude zeigt das Tool in schwarz alle Kacheln mit Sonneneinstrahlung von weniger als beispielsweise 570 kWh/m2. An diesen Stellen können etwa Dummy-Module installiert werden.

Stefan Holzer, CEO von Amenti, erläutert im Interview das Potenzial der neuen technischen Möglichkeiten des Online-Tools.

Stefan Holzer, CEO von Amenti

Gegründet wurde Amenti 2018. Wie hat sich ihr Tool bisher in der Planungsbranche etabliert?

Wir haben uns für die Entwicklung viel Zeit genommen. Die Machbarkeitsstudie von A bis Z zu digitalisieren, ist komplex und erfordert eine gewissenhafte Umsetzung. Gleichzeitig wollten wir als Unternehmen unabhängig bleiben und haben die einzelnen Entwicklungsschritte selbst finanziert. Das zahlt sich heute aus. Das Interesse an unserem Tool hat enorm zugenommen, die Kunden kommen aus den unterschiedlichsten Branchen.

Wie unterscheidet sich das neue Angebot vom bisherigen?

Erstmals kann bereits in der Entwurfsphase eines Immobilienprojekts Nutzen und Wirtschaftlichkeit einer Photovoltaikanlage an der gesamten Gebäudehülle, also inklusive Fassade, verlässlich vorausgesagt werden. Die Innovation: der entwickelte KI-basierte Algorithmus berücksichtigt die Eigenverschattung, die Verschattung durch Nebengebäude, Vegetation und Gelände. Unser 3D-Modell zeigt diese Ergebnisse jeweils in Echtzeit und visualisiert die Zusammenhänge intuitiv durch eine farbliche Gestaltung.

Ab wann wird das neue Tool verfügbar sein?

Soeben konnten wir das Innosuisse-Projekt «Fast Efficient Assessment of BIPV in the Building Feasibility Stage» erfolgreich abschliessen, das wir in den letzten drei Jahren in Partnerschaft mit Supsi (University of Applied Sciences and Arts of Southern Switzerland) entwickelt haben. Alle Funktionen sind bereits in unserem Tool integriert und stehen den Nutzenden im Kontext der Machbarkeitsstudie zur Verfügung.

Welche technischen Parameter sind notwendig, um eine Machbarkeitsstudie mittels «Photovoltaik-Tool» durchzuführen?

Für die Berechnungen sind die Gebäudehülle und das Fassadendesign respektive der Fenster-Wand-Anteil notwendig. Beides kann in unserem Tool in wenigen Minuten erstellt werden. Damit sind die Voraussetzungen gegeben, um die Photovoltaik-Anwendung zu starten. Alle relevanten Parameter, vom Modulwirkungsgrad bis zu den Mehrkosten, sind bereits vordefiniert, können aber auch nach Bedarf überschrieben werden. Netzbezugs- und Netzeinspeisetarife werden automatisch und gemeindeabhängig eingelesen, ebenso die flächenabhängigen Fördermittel. Somit ist es auch für Nichtspezialisten möglich, eine Analyse durchzuführen.

Konnten bereits Pilotprojekte damit durchgeführt werden? Wie liefen diese?

Wir hatten eine intensive Testphase. Zusammen mit Supsi haben wir etliche Neubauten nachmodelliert und unsere Ergebnisse mit denjenigen spezialisierter Simulationstools wie «BIMsolar» oder «IDA ICE» verglichen. Letztere kommen erst in einer schon weit fortgeschrittenen Planungsphase zum Einsatz und beruhen auf detaillierten Projektdaten, sind aber aufgrund ihrer Komplexität Profis vorbehalten. Die Ergebnisse waren verblüffend. Unser Modell zeigte in den meisten Fällen eine Genauigkeit von über 90 Prozent, der schlechteste Wert lag bei 85 Prozent. Bedenkt man, dass diese Werte bereits in der ersten Projektstunde vorliegen, dürfen wir mit den Ergebnissen äusserst zufrieden sein.

Welches Potenzial liegt in der Ausstattung bestehender Gebäude mit energieerzeugenden Bauteilen? Welchen Beitrag kann Amenti damit zur Erhöhung der Nachhaltigkeit in der Gebäudelandschaft leisten?

Die Immobilienbranche ist gefordert, Gebäude energieoptimiert zu gestalten – im Neubau wie bei der Bestandssanierung. Unser Algorithmus macht Voraussagen zur Sonneneinstrahlung auf die Gebäudehülle, berücksichtigt dabei Verschattungen und bietet eine hohe Granularität. Solche Daten sind nicht nur für Photovoltaik-Anwendungen wertvoll, sondern für viele weitere Fragestellungen. Ein Beispiel aus dem Fachbereich der Gebäudesimulation: Welche Auswirkung hat eine Änderung der Gebäudeausrichtung oder der Fensterflächen auf den sommerlichen Wärmeschutz oder das passive Heizen im Winter? Soll Nachhaltigkeit im täglichen Leben ankommen, ist die Beantwortung solcher Fragen in der frühen Planungs- und Entscheidungsphase von grosser Bedeutung. Zu oft musste in der Vergangenheit der Wille zum nachhaltigen Bauen dem engen Korsett fortgeschrittener Planungen weichen.

Gibt es Bestrebungen, das Angebot von Amenti auch international anzubieten?

Ja. Unser KI-Algorithmus basiert auf maschinellem Lernen und wurde mit globalen Daten trainiert. Derzeit arbeiten wir daran, die technischen Voraussetzungen zu schaffen, um die erwähnten Daten zur Sonneneinstrahlung mit PV-Anwendung weltweit anbieten zu können. Gegen Ende des ersten Quartals 2025 sollte dies möglich sein.

Die künstliche Intelligenz (KI) wird künftig im Alltag noch präsenter werden. Welche Möglichkeiten sehen Sie allgemein und für die Baubranche?

KI hat bereits grossen Einfluss auf die Effizienz diverser Arbeitsabläufe. Das grosse Potential von KI dürfte jedoch in der Fehlervermeidung und Produktentwicklung zu finden sein. Stichwort Baumängel, hier gehen jährlich Milliarden verloren. Beispielsweise könnten mit der intelligenten Überwachung von Bauprozessen grosse Summen eingespart werden.

KI ist ein unglaubliches Werkzeug, das wir unbedingt nutzen sollten. Doch wie bei jedem Werkzeug gilt es, den Sinn und die richtige Anwendung im Auge zu behalten. KI kann das eigene Denken (noch) nicht ersetzen. Von meinen jüngeren Mitarbeitenden verlange ich stets, Ergebnisse zu hinterfragen. Die einfache Frage, «Macht das Sinn?» löst oft eine erstaunliche Dynamik aus.

amenti.ch

Farbliche Darstellung der PV-Module. Beim rechten Gebäude wurden zur Visualisierung die gewählten PV- und Dummy-Module blau eingefärbt. Fotos: Amenti
(Visited 11 times, 1 visits today)

Weitere Beiträge zum Thema