Das digitale Spiegelbild
Design, Kosten und Zeit lassen sich digital abbilden, Energieverbrauch und Notfallszenarien lassen sich simulieren. Der digitale Zwilling ist das Spiegelbild der realen Wirklichkeit.

Virtuell durch Raum und Zeit
Im digitalen Zwilling werden ständig alle Informationen aktualisiert, die es zum realen Gegenstück gibt. Alle Daten des Objekts sind an einem Ort hinterlegt, entweder auf einem zentralen Server oder in der BIM-Cloud. Für die Datensicherheit gelten hier besonders hohe Anforderungen. Nur Berechtigte haben im Rahmen von Open-BIM ständig Zugriff – unabhängig von der Art der genutzten Software, dem Handwerk oder dem Standort. Zu den Informationen gehört allerdings mehr als der digitale 3D-Plan. Im digitalen Modell ist die komplette Planung mindestens im 5D-Modell hinterlegt. Die Dimensionen 4 und 5 beziehen sich auf die Kosten und die Zeit. Der digitale Zwilling beinhaltet zudem unzählige weitere Fakten, zum Beispiel über den verwendeten Beton und dessen Zusammensetzung; detaillierte Informationen über alle Bauteile und Baustoffe und deren bauphysikalischen Werte; Daten über die installierte Haustechnik. Selbst die Umgebung eines Bauteils gehört zu einer Beschreibung (Property). Hier wird nicht nur das Fenster im Detail beschrieben, sondern auch der Abstand zur benachbarten Wand und deren Stärke. Die Vorteile eines digitalen Gebäudemodells beginnen bei der Planung und ziehen sich durch sämtliche Lebensphasen. Es können zudem viele Nutzungen virtuell getestet werden. In der virtuellen Welt lassen sich Notfallszenarien simulieren und die kürzesten Fluchtwege ermitteln. Die Brandentwicklung wird aufgrund der Schmelzpunkte einzelner Baustoffe und Bauteile vorab berechnet. Auch die Leistung von Heizung, Klimaanlage und Lüftung kann man unter Betriebsbedingungen für unterschiedliche Jahreszeiten analysieren und testen. Das ganze «Leben» wird am digitalen Zwilling laufend erprobt und optimiert, und zwar vor dem Bauen. Irgendwie ist der digitale Zwilling vergleichbar mit einem riesigen, komplexen Computerspiel; in einer geschlossenen Gruppe mit sehr strengen Regeln. Mit den digitalen Informationen werden übrigens auch Baumaschinen, Vermessungsapparate, Roboter und 3D-Drucker gefüttert, die auf Baustellen eingesetzt werden.
Erst digital, dann real
Nach der Fertigstellung des Bauwerks steht der digitale Zwilling der Bauherrschaft weiter zur Verfügung. In diesem Lebensabschnitt bietet er vor allem dem Facility Management wichtige Dienste. Im Fall einer geplanten Umnutzung eines Bestandsgebäudes können unterschiedliche Alternativen vorab am digitalen Modell ausprobiert werden. Sind die installierten elektrischen Leitungen ausreichend für die neue Nutzung? Welchen Einfluss hat der Umbau auf den Energieverbrauch, auf die Fluchtwege und den Marktwert? All diese Fragen lassen sich vorab anhand der digitalen Daten beantworten. Übrigens: Auch beim Verkauf ist der digitale Zwilling nicht nur ein Nachweis für den Marktwert, sondern zudem ein Mehrwert. Doch irgendwann schlägt für jede Immobile die letzte Stunde. Der digitale Zwilling ist dann noch immer aktiv und sorgt für den geordneten Rückbau. Bislang mussten sich die Verantwortlichen beim Abriss auf zahlreiche Überraschungen gefasst machen. Mit dem virtuellen Gebäudemodell liegen alle Informationen vor. Das erleichtert den Rückbau und die umweltgerechte Entsorgung bzw. Wiederaufbereitung der eingesetzten Baustoffe. Fazit: Mit dem digitalen Zwilling haben alle Beteiligten stets ein Double zur Seite, an dem sich Visionen, Ideen und Änderungen termin- und budgetgerecht testen lassen. Dabei sind alle auf dem gleichen Wissensstand und können die aktuellsten Entwicklungen im zugeteilten Bereich mitverfolgen und mitgestalten. Das nennt man Big Open BIM. Nur so funktioniert Bauen heute: mit doppeltem Boden bzw. dem digitalen Spiegelbild. ●