Städtebau – Umnutzung als Lösung

Die grosse Nachfrage nach städtischen Wohnungen und die hohe Leerquote an Büroräumen verlangt nach neuen Strategien. Umnutzungen können hier die optimale Lösung sein.

städtischen Wohnungen
Städtebaulich bewahrt das Gebäude bestehende Strukturen im Quartier.
Von Gerald Brandstätter (Text) und Ariel Huber (Bilder)
Die grosse Nachfrage nach städtischen Wohnungen und die hohe Leerquote an Büroräumen verlangt nach neuen Strategien. Umnutzungen können hier die optimale Lösung sein.

Der Büromarkt ist schon seit geraumer Zeit das Sorgenkind der Schweizer Immobilienbranche. In vielen Regionen sind die Leerstände am Steigen und die effektiven Mieten zunehmend unter Druck. Im Raum Zürich ist die Leerstandsproblematik insbesondere in Zürich Nord und in der Gemeinde Opfikon hoch. In der City scheinen die Leerstände dagegen langsam wieder abzunehmen, da die grossen Umzüge innerhalb der Finanzindustrie grösstenteils vollzogen sind. Bis 2020 könnten zudem insgesamt über 400 000 m² an neuen Büroflächen in und um Zürich entstehen. Die Überkapazität an Büroflächen variiert regional und ist nicht überall gleich dramatisch. Dennoch wächst die Anzahl der Standorte, an denen Wohnungen bei tieferen Risiken teurer vermietet werden als Büros.Der Kanton Zürich rechnet bis zum Jahr 2040 mit 280 000 zusätzlichen Einwohnern. Diese sollen zu 80 Prozent im urbanen Gebiet angesiedelt werden. Hier besteht ein klarer Konsens darüber, dass neuer Wohnraum sowohl aus ökologischer als auch aus ökonomischer Warte zentrums- und arbeitsplatznah entstehen sollte. Doch zentraler Wohnraum ist beschränkt und teuer. Das Missverhältnis zwischen der hohen Leerquote an Büroräumen und zu wenigen Wohnungen besteht im urbanen Umfeld seit Jahrzehnten. Seither haben einige Eigentümer ihre Bürohäuser zu Wohnungen umgenutzt oder Büroliegenschaften ganz abgerissen. Ökonomische Rahmenbedingungen und Anlagestrategien spielen eine wichtige Rolle bei der Frage, ob sich eine Umnutzung langfristig auszahlt. Die Stadt Zürich erfasst diese Umnutzung von Büroflächen nicht statistisch, aber «wir stellen eine Trendwende fest», sagt Fabian Korn, Sprecher des städtischen Hochbaudepartements. In den 80er- und 90er-Jahren bauten Hausbesitzer ihre Wohnungen zu Büros um; heute geschehe das Umgekehrte. Doch ganz so einfach ist eine Umnutzung von Büroliegenschaften zu Wohnungen nicht, da sich die Büros in einer Wohn- oder Mischzone befinden müssen und nicht in Industrie- oder Gewerbezonen liegen dürfen.

Büros werden zu Wohnungen

Gelungene Beispiele von Umnutzungen leerstehender Büroflächen in attraktive Wohnungen sind rar. Eine interessante Lösung zeigen ERP Architekten mit der Totalsanierung und Umnutzung der Liegenschaft Bachmattstrasse 59 in Zürich-Altstetten. Die ehemalige Nutzerin, die Migros-Pensionskasse (MPK), bezog im Sommer 2014 neue Büroräume in Schlieren. Als Eigentümerin der Liegenschaft gab die MPK der Halter AG den Auftrag, eine Objektstrategie für das Gebäude zu erarbeiten. Zunächst wurden verschiedene Nutzungsszenarien auf ihre wirtschaftliche Machbarkeit geprüft. Schlussendlich entschied sich die Eigentümerin, die Liegenschaft künftig für Wohnungen zu nutzen. Im November 2015 erfolgte der Baustart für 28 Kleinmietwohnungen, eine 4,5-Zimmer-Wohnung sowie Retail-Flächen im Erdgeschoss. Die bestehende Überbauung von 1969 ist im Wesentlichen in drei Teile gegliedert: Das überhohe Erdgeschoss mit einer Verkaufsfläche bildet den Sockel für den turmartigen siebengeschossigen Gebäudeteil an der Badenerstrasse sowie den zweigeschossigen Annexbau mit neuem, leicht zurückgesetztem Attikageschoss entlang der Bachmattstrasse. Gemäss Vorgaben der Teilrevision der BZO für Zentrumszonen konnte im Erdgeschoss keine Wohnnutzung eingeplant werden. Das Gebäude wurde in den oberirdischen Geschossen bis auf die hauptsächlich aus Stützen, Flachdecken, Wandscheiben der Fassade sowie der Vertikalerschliessung bestehende Grundstruktur rückgebaut. Die ungedämmten Waschbetonbrüstungen und Ortbetonscheiben in den Obergeschossen wurden aussen aufgedämmt und mit einer hinterlüfteten Fassade aus Metall verkleidet. Die bestehenden Holzmetallfenster wurden durch neue, den heutigen Anforderungen entsprechende Fenster ersetzt. Die äussere Erscheinung mit den charakteristischen Fenster- und Brüstungsbändern sowie die typischen Gestaltungsmerkmale der einzelnen Gebäudeteile blieb erhalten. Sie wurd zudem durch die differenzierte Fassadenverkleidung sowie die «Kopfausbildung» zur Badenerstrasse hin gestalterisch aufgewertet.

Im siebenstöckigen Hochhaus und dem vom gleichen Treppenhaus her erschlossenen Annex entstanden insgesamt 29 Mietwohnungen. Sämtliche Wohnungen sind über die bestehende Vertikalerschliessung mit Lift und Treppenhaus hindernisfrei zugänglich. Während der Annex mit übereinander verschränkt angeordneten Maisonnette-Dreiraumwohnungen durch seine originellen, von Front zu Front durchgehenden Grundrisse besticht, bieten die 1,5- und 2,5-Zimmer-Wohnungen im Hochhaus tolle Ausblicke und sehr viel Licht. In allen Wohnungen gehen Wohn-/Essraum und die jeweils offene Küche ineinander über. Durchgehende Anhydritböden betonen das urbane Flair. Die Nasszellen sind modern und schlicht gestaltet, alle Wohnungen verfügen über Waschmaschine und Tumbler. Die Mehrzahl der Wohnungen verfügt über eine Loggia mit direkter privater Verbindung zum Aussenraum, die auch als lärmreduzierender «Lüftungsraum» zu verstehen ist, da sie von der Hauptstrasse abgewandt ist. Die Parzelle war bereits vor der Sanierung übernutzt. Ein Abriss und Neubau wurde unter anderem deshalb verworfen, weil letzterer nach aktuellen Baugesetzen nicht mehr die Höhe des Altbaus hätte erreichen dürfen. Die Gesamtsanierung und Aufstockung durch ERP Architekten und Halter erreicht nun eine angemessene Dichte mit einer Ausnutzung von 2,5 und macht den ehemaligen Bürobau zu einem topmodernen Gebäude mit attraktiven Stadtwohnungen.

Bautafel

Architektur ERP Architekten AG, Baden

Bauingenieur adali engineering gmbh, Wallisellen

Fassadenplaner Michael Wichser + Partner AG, Dübendorf

Elektroingenieur Odermatt AG, Brüttisellen

HLKK-Ingenieur Wuettec Wüthrich, Winterthur

städtischen Wohnungen
Die Gesamtsanierung macht den ehemaligen Bürobau zu einem topmodernen Gebäude mit attraktiven Stadtwohnungen.
städtischen Wohnungen
Durchgehende Anhydritböden betonen das urbane Flair.
städtischen Wohnungen
Die Gesamtsanierung und teilweise Aufstockung hat attraktiven Wohnraum geschaffen.
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Die Mehrzahl der Wohnungen verfügt über eine Loggia mit direkter privater Verbindung zum Aussenraum.
Schnitt
Schnitt
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Grundrisse
Grundrisse
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