Geeint unter dem Faltwerk

Die Sporteinrichtung Chliriethalle in Oberglatt hat einen neuen Kopfbau, nachdem ein Feuer den Vorgänger in Schutt und Asche gelegt hatte.

Chliriethalle
Die Chliriethalle mit neuem, den heutigen Anforderungen entsprechendem Kopfbau.
Von Dipl.-Ing. FH Susanne Jacob-Freitag (Text), Hannes Henz sowie Frei + Saarinen Architekten (Bilder)
Die Sporteinrichtung Chliriethalle in Oberglatt hat einen neuen Kopfbau, nachdem ein Feuer den Vorgänger in Schutt und Asche gelegt hatte.

Wie durch ein Wunder brannte nur der Kopfbau der Chliriethalle in Oberglatt ab. Der grösste Teil der nahtlos daran anschliessenden Dreifach-Turnhalle blieb verschont. Sie wurde danach so weit saniert, dass sie für die Zwecke der Gemeinde weiter genutzt werden konnte, ein neuer Anbau musste dennoch her.Die Mehrzweckhalle aus dem Jahr 1979 galt nicht gerade als architektonisches Schmuckstück. Daher lobte die Gemeinde einen Wettbewerb für einen Ersatz-Kopfbau aus, der auch das Gesamtgebäude architektonisch aufwerten sollte. Zentrales Anliegen war neben dem sorgfältigen Umgang mit der bestehenden Bausubstanz ein ebenso funktionaler wie kostengünstiger Neubau, sowohl bezüglich Erstellung als auch hinsichtlich Unterhalts- und Betriebskosten.

Der Siegerentwurf für den neuen Kopfbau stammte aus der Feder von Frei + Saarinen Architekten in Zürich. Sie entwickelten den Anbau nahtlos aus dem Bestand mit der Idee, beides mit einem neu interpretierten Dach zu einem Ganzen zu verschmelzen. Als gemeinsames Element sollte es die Aufmerksamkeit auf sich lenken und damit den «unschönen» Bestand in den Hintergrund rücken.

Gefaltetes Dach prägt Gesamterscheinung

Die Architekten führten die traufnahen Dachflächenbereiche der 44 Meter breiten Halle über deren Giebel hinaus nahtlos weiter und spannten dazwischen die Überdachung des Anbaus als Faltwerk mit flachen Neigungen auf. So konnten sie die neue Dachfigur so weit schärfen, dass sie sich als eigenständiges neues Element dem Bestehenden entgegensetzen liess, ohne dass der Gebäudekomplex dabei in Alt und Neu zerfällt. Anstelle der früheren kleinen Fensterschlitze zwischen dem groben Backsteinmauerwerk und dem Dach öffnet sich nun die Glasfassade des Kopfbaus seiner parkähnlichen Umgebung. Die Fensterpfosten haben die Architekten absichtlich dicker gewählt, als es statisch erforderlich gewesen wäre, damit die Fenster von innen gut ablesbar sind und so auch den Raum fassen. Wirft man einen Blick auf die Dachränder, stellt man fest, dass sie mal besonders mächtig, mal relativ schmal ausfallen, was dem Ganzen einen zusätzlichen dynamischen Charakter verleiht.

Das skulpturenhaft anmutende Dach wird insgesamt zum prägenden Element des Gebäudes. Unter dem Faltwerk, das alles wie eine Klammer überspannt und dessen Trauf- und Firstlinien so angeordnet sind, dass sie mit der Raumaufteilung korrespondieren, vereinen die Architekten unterschiedliche Nutzungen, welche die Dreifach-Turnhalle ergänzen. Denn in ihr wird nicht nur Sport getrieben, es finden auch Feste, Konzerte und Messen für die ganze Region statt.

Im Anbau kommt daher ein grosszügig bemessenes Foyer unter, das gleichzeitig als Gemeindesaal dient. Die Glasfassade schafft hier einen fast nahtlosen Übergang zwischen innen und aussen, was die Grosszügigkeit zusätzlich unterstreicht. Unter der tiefsten Dachkehle sind das Foyer und der Gemeindesaal mit einer mobilen Trennwand unterteilbar. Neben dem Foyer liegen eine Grossküche mit Anlieferung, eine Werkstatt und ein Vereinslokal. Alle Räume sind so an den Bestand angebunden, dass sich Alt und Neu optimal verzahnen und ergänzen – horizontal wie vertikal: Vom Foyer führt eine Rampe in eine Lounge im ersten Stock, die als neues Bindeglied die Hallentribüne erschliesst. Dieser Bereich kann ebenfalls für kleinere Versammlungen genutzt werden.

Mischbau für knappes Budget

Das Budget, das die Gemeinde für den neuen Kopfbau zur Verfügung stellen konnte, war ebenso knapp bemessen wie der Zeitrahmen, in dem er fertiggestellt werden sollte. Um Geld zu sparen, haben die Architekten bewusst auf einen Mischbau mit kostengünstigen Materialien gesetzt. Dabei sind manche Wände gemauert, andere betoniert und einige in Holzbauweise gefertigt.

Eine Stahlkonstruktion trägt die Glasfassade. Eine in jeder Hinsicht wirtschaftliche Wahl stellen die vorgefertigten Sandwich-Elemente in Holzbauweise für das gefaltete Dach dar. Der Kopfbau sollte niedriger ausfallen als die Turnhalle mit rund 11 Meter Firsthöhe. Gleichzeitig galt es aber, die richtigen Proportionen für die Volumen zu finden, um zu verhindern, dass der Anbau wie ein Anhängsel wirkt. Daher haben die Architekten die Dachflächen des Bestands beidseitig ab der Traufkante mit etwa 7 Meter Breite weitergeführt und sie dann wie bei einem Satteldach abfallen lassen.

Diese verlängerten Dachflächen reichen unterschiedlich weit über den Bestand hinaus: Auf der einen Seite rund 10 m, auf der anderen etwa 18,50 m. Der Kürzeren wurde ein weiteres, 8,50 m tiefes Satteldach vorangestellt, allerdings mit einer geringeren Firsthöhe von etwa 5,5 m. Dabei nimmt eine seiner Dachflächen wieder die Neigung der rückwärtigen Dachfläche auf und knickt nach 5 m in die andere Richtung ab, sodass sich zwei parallel verschobene und höhenversetzte Dachflächen ergeben, deren Stirnseiten sich in der Aufsicht zudem überschneiden.

Diese Staffelung und das Ineinandergreifen der Räume schaffen den gewünschten Übergang zwischen dem Bestand und dem niedrigeren Neubau. Unter dem höheren der beiden Dächer kommt die Lounge unter, von der man zur Hallentribüne gelangt. Ein weiteres «Satteldach» fügt sich mit 18,50 m Tiefe zwischen die beiden äusseren ein, sodass in der Frontansicht die Zick-Zack-Linie einer gefalteten Dachstruktur samt versetzter Faltung des zum Bestand aufsteigenden Daches entsteht. Das drei- bzw. viergiebelige Dach ist nicht nur ein ästhetisches und vermittelndes Element zwischen Alt und Neu, sondern liess sich auch für ein einfaches, aber räumlich dennoch spannendes Gebäude nutzen.

Effiziente Holzelemente

Energetische, konstruktive und montagetechnische Überlegungen bewogen die Architekten dazu, für die Aussenwände Holzrahmenbau- bzw. für das Dach Holzsandwich-Elemente zu wählen. Das geringe Gewicht Letzterer ermöglichte es zudem, sie direkt an den Bestand anzuhängen. Alle Dachelemente sind knapp 45 cm hoch, zwischen 1,8 m und 3 m breit und zwischen 10 m und 18,50 m lang. Die beidseitig mit Dreischichtplatten (d = 27 bzw. 19 mm) beplankten Brettschicht-(BS-)Holz-Rahmen aus Längs- und Querträgern (Längsträger: b/h = 40 cm × 20 cm) wirken wie eine Art steife Schachtel. Sie spannen elementweise als Ein- oder Zweifeldträger vom Bestand über die gemauerten Zwischenwände zu den Holzrahmenbau-Wänden bzw. zur Stahlkonstruktion der Glasfassade, über die sie 3 m hinaus kragen. Ingenieurtechnisch gesehen sind Sandwichelemente, die man auch als Kastenelemente oder Hohlkästen bezeichnet, nicht als Balkentragwerke, sondern als Flächentragwerke zu berechnen. Durch die Schraubpressklebung, welche die Platten und Balken schubsteif miteinander verbindet, lassen sich die Elementquerschnitte im Vergleich zu Balkentragwerken um rund ein Drittel in der Höhe reduzieren. Auch die Schwingungssteifigkeit der Elemente ist im Vergleich grösser.

In die relativ schlanken Hohlkästen konnte man neben einer Dämmebene auch einen Grossteil der Gebäudetechnik integrieren, ohne dabei bauphysikalische Probleme zu schaffen. Sie nehmen alle Installationen zur Be- und Entlüftung, zur Entrauchung im Brandfall, zur Beschallung (Lautsprecher) und Schallabsorption (die auf Fuge verlegte Lattung der Untersicht), zur Beleuchtung sowie zur Verdunkelung der Oberlichter auf. Dabei ist die 20 cm hohe Dämmebene von der ebenso hohen Installationsebene getrennt. Längs- und Querhölzer mit halber Elementhöhe, über Kreuz eingebaut, schaffen die zwei Ebenen. In der oberen liegt die Wärmedämmung, in der unteren die Technik, die jedoch dort, wo keine Installationen liegen, ebenfalls mit Dämm-Material ausgefüllt wird. Einen weiteren Vorteil stellte die Möglichkeit dar, das komplette «Innenleben» der Elemente witterungsunabhängig und kontrolliert im Werk einzubauen. So konnten die Sandwich-Elemente fixfertig auf die Baustelle gebracht und vor Ort schnell und unkompliziert montiert werden; all diese Aspekte halfen, den Kostenrahmen bei hoher Qualität einzuhalten.

Während Kastenelemente in der EU nach Eurocode 5 (EC 5) hergestellt werden – sie fallen hier unter die Tafelbaurichtlinie (die irgendwann von der europäischen Richtlinie DIN EN 14732 abgelöst werden soll) –, dürfen sie in der Schweiz ohne Überwachung und Normkonzept hergestellt werden.

Fertigung in zwei Etappen

Statt die beiden Dreischichtplatten des Kastenelements in einem Arbeitsgang zu verkleben und zu verschrauben, wie das häufig der Fall ist, haben die Planer die Fertigung bei diesem Projekt aufgrund des Einbaus für die umfangreiche Technik auf zwei Etappen aufgeteilt: Zuerst wurde die untere Platte mit dem 40 cm hohen BS-Holz-Rahmen verbunden und die 20 cm hohen Längshölzer eingesetzt; es folgte der Einbau aller Installationen.

Im zweiten Schritt wurden die 20 cm hohen Querhölzer eingefügt und mit Längsträgern des Rahmens verschraubt, die Dämmung eingebracht und schliesslich der Hohlkasten mit der oberen Platte geschlossen. Die Hohlkästen, welche die Oberlichter aufnehmen, erhielten entsprechende Aussparungen. Diese konnten innerhalb des Elements über einfache Auswechslungen statisch überbrückt werden. Auch die wenigen Ausfräsungen in den Längsträgern der Hohlkästen zum Durchführen des ein oder anderen Lüftungsrohres konnte die Gesamtkonstruktion kompensieren.

Die Kastenelemente des Faltdaches konnten wegen ihres geringen Gewichts über einfache Stahlwinkel an der Giebelwand des Bestands angeschlossen werden. Von dort spannen sie je nach Dachbereich entweder als Einfeldträger mit Kragarm – 7,40 m Feldweite und 3 m Kragarm – oder als Zweifeldträger mit Kragarm – 5,5 m und 10 m Feldweiten und 3 m Kragarm – zur nächsten tragenden Innen- bzw. Aussenwand oder Stahlkonstruktion der Glasfassade. Der ungünstigste Lastfall im Bereich der grössten zu überbrückenden Spannweite von 10 m bestimmte die Höhe aller Längsträgerquerschnitte im Hohlkasten. Denn diese musste für alle Kastenelemente gleich sein. Lediglich die Trägerbreite variierten die Ingenieure lastfallspezifisch bzw. je nach Spannweitenverhältnissen und Elementbreite. Das Eigengewicht der Hohlkästen reicht zudem aus, um die Last aus dem Kragarm aufzunehmen, sodass an den Endauflagern der Elemente keine abhebenden Kräfte wirken.

Aussteifende Dachscheiben

Diagonal und über Kreuz in die Längsträger der Elemente eingedrehte Schrauben verbinden die aneinander gereihten Hohlkästen jeder Dachfläche zu einer Scheibe. Die Stossfugen wurden dabei mit Steinwolle ausgestopft und so wind- und rauchdicht gemacht. Trotz Scheibenwirkung der einzelnen Dachflächen, die jeweils der horizontalen Aussteifung des Kopfbaus dienen, wirkt das gefaltete Dach nicht als Faltwerk, das heisst als räumliche Tragstruktur, sondern eher als Aneinanderreihung zweidimensionaler Ein- und Zweifeldträger.

Dynamischer Dachrand bringt den letzten Schliff

Zu guter Letzt erhielten die auskragenden Dachbereiche eine spezielle Holzunterkonstruktion für eine Bekleidung, die Dachüberstand und Dachrand eine besondere Optik verleiht: Schmale und breite Dachränder wechseln im Auf und Ab des Faltwerks und verleihen dem Gebäude eine zusätzliche Dynamik. Kurzum: Operation gelungen, Patient lebt.

Bautafel

Bauherr Gemeinde Oberglatt

Architektur Frei + Saarinen Architekten, Zürich

Baumanagement/Bauleitung Bautermin Walder AG, Embrach

Tragwerksplanung Schnetzer Puskas Ingenieure AG, Zürich

Holzbau Strabag AG, Lindau

TGA, Bauphysik, Brandschutz Amstein + Walthert AG, Zürich

Chliriethalle
Dominantes Gestaltungselement: Das gefaltete Dach mit skulpturenhafter Anmutung. Unter dem breiten Überstand liegen der Eingang zum Foyer und zum Vereinslokal.
Chliriethalle
Die gefaltete Dachfläche bestimmt den Bau innen und aussen. Die Holzbekleidung auf der Unterseite integriert die Leuchten ebenso wie die Zuluftschlitze.
Chliriethalle
Der Kopfbau lebt von den zeltartigen Innenräumen und den Ausblicken.
Chliriethalle
Das Foyer (rechts) erhielt als öffentlicher Raum eine Glasfassade. Links oben ist die Lounge als Verbindung zur Hallentribüne zu erkennen.
Chliriethalle
An der Fassade ablesbar sind öffentliche und weniger öffentliche Bereiche.
Chliriethalle
Foyer nach Fertigstellung mit Rampe zur Lounge beziehungsweise zur Tribüne.
Chliriethalle
Chliriethalle
Für geschlossene Wand-/Fassadenbereiche kamen tragende Holzrahmenbau-Elemente zum Einsatz.
Chliriethalle
Chliriethalle
Die Hohlräume zwischen Quer- und Längsträgern bieten Platz. Wärmedämmung und Installationen kommen in zwei Ebenen unter.
Chliriethalle
Chliriethalle
Rohbau-Modell: Die gefaltete Dachfläche verleiht der einfachen orthogonalen Struktur Raumwirkung.
Grundriss
Grundriss
Schnitt
1Bestehende Dreifachturn- und Eventhalle3Anlieferung5Ausschank7Sportlereingang9Vereinslokal mit Küche11Unterteilbares Foyer, Gemeindesaal
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