Kirche im Wandel
Die historische Marienkirche in Bochum fungiert als zentrales Foyer des kürzlich eröffneten Anneliese Brost Musikforums Ruhr.

Der Neubau des Anneliese Brost Musikforums auf dem benachbarten Marienplatz bot die ersehnte Chance für eine neue Nutzung. Zu beiden Seiten der Kirche wurden neue Baukörper angeordnet, die sich an der Länge des Kirchenschiffs orientieren und innenräumlich mit diesem verzahnt sind. Seither bildet der Kirchenraum das Foyer des Musikzentrums und damit das Zentrum des neuen Ensembles: Auf der Südseite der Kirche befindet sich der Konzert- und Veranstaltungssaal, auf ihrer Nordseite ein kleinerer, multifunktional nutzbarer Saal. Die beiden Baukörper wurden über niedrige Zwischenbereiche so an das Kirchenschiff angeschlossen, dass die bestehenden Kirchenfenster beibehalten werden konnten.
Besondere Chorfenster
Besucher gelangen von der Viktoriastrasse aus über drei Stufen von Süden oder aber von Norden über eine Rampen- und Treppenanlage in den früheren Chor der Marienkirche. Drei Chorfenster ziehen hier alle Blicke auf sich. Bemerkenswert ist die filigrane, sehr grafische Zeichnung der Motive, nur durch wenige Farbflächen in warmen Rottönen kontrastiert. Der Bochumer Glasmaler Heinrich Wilhelm hatte sie 1969 in der Werkstätte von Derix gestaltet. Die künstlerisch wertvollen Fenster waren nach der Schliessung der Kirche ausgebaut und eingelagert worden. Nun wurden sie restauriert und wieder an ihren ursprünglichen Ort zurückversetzt.
Am Anfang stand die Bestandsaufnahme durch den Metallbauer. «Wir haben bei jedem Fenster einen anderen Radius vorgefunden», erläutert Wilhelm Jansen von Metallbau Jansen, Heinsberg. «Die optisch nicht erkennbaren Abweichungen betrugen bis zu 30 mm und bewegten sich damit in einer Dimension, die bauseits nicht ausgeglichen werden konnte.» Somit musste jedes Spitzbogenfenster separat produziert werden. Dank des ausgereiften Systembaukastens von Janisol Arte gestaltete sich die handwerkliche Umsetzung denkbar einfach.
Service für Metallbauer
Die über 9 m hohen Kirchenfenster bestehen aus drei Segmenten, jedes drei Felder breit und drei Felder hoch und sind mit 27 Scheiben verglast. Der äussere Rahmen für das oberste Segment wurde nach den vom Metallbauer gelieferten Schablonen bei der Schweizer Jansen AG gebogen. Als Service für Metallbauer biegt der Stahlprofilhersteller nach Radius oder nach Schablone. In der Werkstatt der Metallbau Jansen wurden die gebogenen und geraden Profile zu Teilelementen vorgefertigt und schliesslich vor Ort miteinander verschraubt und verglast. Eine isolierverglaste Konstruktion aus Janisol Arte schützt die buntverglasten Elemente nach aussen. Die weiteren Spitzbogenfenster wurden mit Scheiben verglast, auf die zuvor eine Folie aufgebracht worden war, um optisch den Eindruck einer historischen Verglasung zu imitieren. Der zentrale Kirchenraum hat also nicht nur seine ursprüngliche Raum-, sondern auch seine Tageslichtsituation bewahrt.
Der Übergang zum Konzert- und Veranstaltungssaal im Süden und zum Multifunktionssaal im Norden erfolgt aus den drei mittleren Jochen der Kirche heraus. Hier wurden zwischen den äusseren Strebepfeilern Oberlichter in die Decke eingefügt, die zenitales Licht einfallen lassen und den Übergang vom Foyer zu den Sälen akzentuieren. So blieb auch in diesem Bereich die Aussenfassade des Kirchengebäudes unberührt. Die Fassade der Neubauten ist mit einer Vorsatzschale aus weiss geschlämmtem Ziegelmauerwerk versehen, dessen Scherben dem des Kirchenbaus entspricht. In gleicher Weise ist auch die Aussenwand des grossen Saales zu den Zwischen-Foyers hin behandelt. Dies unterstützt die Wahrnehmung des «Aus-der-Kirche-Heraustretens» ebenso wie den Eindruck, sich im Saal in einer «Schmuckschatulle» zu befinden.
Ein Schmuckstück ist die restaurierte Kirche allemal. 15 Jahre bürgerschaftliches Engagement, unzählige Aktionen und Benefizveranstaltungen, die Hilfe vieler Förderer und Unterstützer und nicht zuletzt über 20 000 Spender haben den Bau des Anneliese Brost Musikforums mit der Kirche als funktionalem Mittelpunkt ermöglicht. Die neue Spielstätte der Bochumer Symphoniker, der Musikschule Bochum und weiteren Akteuren der freien Musikszene wurde Ende Oktober 2016 feierlich eröffnet. Das sogenannte Musikforum bildet nicht nur das neue Zentrum des aufstrebenden Stadtviertels Viktoria-Quartier: Es soll auch ein Ort der Begegnung und des kulturellen Austausches für alle Bochumer Bürger sein.jansen.com
Bautafel
Bauherrin Stadt Bochum (D)
Architekten Bez + Kock, Stuttgart (D) mit Stein Architekten, Bochum (D)
Ausführung Metallbau Jansen, Heinsberg (D)
Systemlieferant Jansen AG, Oberriet (CH)16




