Bauen für die Gesundheit – Eine Villa als Pflegeheim

Die Villa Quisisana in Arbon ist zu einem Pflegeheim ungenutzt und mit einem Annexbau erweitert worden. Das Bauprojekt ist ein spannender Beitrag zum Thema Altersheim jenseits der gängigen Betriebskonzepte.

Villa Quisisana
Der neue Erweiterungsbau ordnet sich als filigraner Holzbau der Villa Quisisana unter.
Von Uwe Guntern (Redaktion) und Ladina Bischof (Bilder)
Die Villa Quisisana in Arbon ist zu einem Pflegeheim ungenutzt und mit einem Annexbau erweitert worden. Das Bauprojekt ist ein Beitrag zum Thema Altersheim jenseits der gängigen Betriebskonzepte.

Um das Angebot an Pflegeplätzen und weiteren Wohnformen für betagte Menschen zu erweitern, erwarb die Bürgergemeinde Arbon die Villa Quisisana samt Grundstück. Die Villa ist zu Gemeinschaftsräumen umgenutzt worden und hat einen Erweiterungsbau erhalten. Das neu eröffnete Altersheim wird als «offenes Haus» mit 25 grosszügigen Zimmern geführt. Es ist ein Beitrag zum Thema Altersheim jenseits der gängigen Betriebskonzepte der Pflegeheime mit 60 bis 80 Betten mit Fokus auf die Wirtschaftlichkeit. Statt den üblichen 12- bis 14-Zimmer-Abteilungen mit Stationszimmern wird das Haus in Arbon als eine überschaubare Gesamteinheit geführt.

Filigraner Holzbau

Der neue Erweiterungsbau ordnet sich als filigraner Holzbau der bestehenden Villa Quisisana, einer Fabrikanten-Villa aus dem Jahre 1874, die im Hinweis-Inventar der Denkmalpflege des Kantons Thurgau geführt wird, unter. Im Obergeschoss des Neubaus befinden sich 16 Zimmer und im Erdgeschoss die verbleibenden neun Zimmer. Die gemeinschaftlichen Bereiche im Erweiterungsbau mit hoher Betriebsfrequenz sind allesamt erdgeschossig mit gutem Bezug zum Park situiert. Ebenso der Speisesaal, der im Erdgeschoss der bestehenden Villa positioniert ist. Durch diese Nutzungsverteilung wird der erdgeschossige Gebäudedruck minimiert, und die Bewohner profitieren von einem grosszügigen gedeckten Aussenbereich mit direktem Zugang zum Park. Dieser witterungsgeschützte Übergangsraum stellt für die Bewohner einen zentralen Mehrwert des Projekt-Ansatzes dar.

Die Hierarchie im bestehenden Ensemble ist trotz stattlicher Gebäudeausdehnung des zweigeschossigen Erweiterungbaus gewahrt geblieben. Die Typologie des in die Parzellentiefe greifenden Zweckbaus, kombiniert mit geringer Gebäudehöhe, ist im Wohnquartier in Arbon bereits bekannt gewesen. Die Einordnung des Erweiterungsbaus in das Quartier war somit gegeben. Die strukturierte Holzfassade verleiht dem Gebäude die gewünschte Feingliedrigkeit, und die sanften Knicke in den Längsfassaden brechen optisch die Wirkung der stattlichen Gesamtlänge des Erweiterungsbaus. Die zweigeschossige Fassadengliederung begünstigt einen ruhigen Gesamteindruck, und der auskragende Dachabschluss referenziert im Duktus mit der bestehenden Gebäudesubstanz.

Mit Akzeptanz und zurückhaltenden Eingriffen begegnet die Aussenraumgestaltung dem Bestand. Sie reagiert auf die gegebene Eck- und Strassensituation und lässt den Erweiterungsbau mit der Parklandschaft verschmelzen. Die grosszügige Erschliessungsfläche fliesst vom Eingangsbereich durch den Neubau hindurch und schafft eine direkte Verbindung zwischen Vorfahrt und Park. Dort eröffnet sich den Bewohnern ein attraktiver überdachter Aussenraum mit Bezug zum alten Baumbestand der südlich situierten Kirche. Es entwickelt sich ein fliessender Übergang zwischen Park und Gebäude-Innerem sowie ein steter Austausch dazwischen. Über die Vorfahrt wird die Parkierung gelöst und erfolgt auch die Anlieferung, die über eine neu geschaffene Rampe vor dem östlichen Anbau von 1973 erfolgt.

Verteilung und Konzept

Im Obergeschoss werden die Erschliessungswege zu den 16 Zimmern um die drei Lichthöfe angeordnet. Das Tageslicht unterstützt die Bewohner bei der Orientierung. Herzstück und Begegnungsort im Innenraum ist ein zweigeschossiger, mittiger Luftraum mit Galerie und Bezug zum Garten. Dieser ist im Obergeschoss durch eine Lesegalerie erweitert. Erdgeschossig ist der Aufenthaltsraum aufgrund der Projektidee übergross ausgestaltet und eignet sich für eine Weihnachtsfeier oder ähnliche Anlässe.

Die gemeinschaftlichen Bereiche im Gartengeschoss profitieren von der zenitalen Beleuchtung und dem direkten Bezug zum Park. Dank der reduzierten Zimmeranzahl im Erdgeschoss kann ein witterungsgeschützter Aussenbereich angeboten werden. Die Bewohner können sich somit auch bei Regen oder in den Zwischenjahreszeiten an der frischen Luft bewegen.

Die 25 Betten des Erweiterungsbaus werden als eine Abteilung behandelt. Entgegen dem Wettbewerbsprogramm, das zwei Betreuungsgruppen mit je 12 Betten forderte, hat die Bauherrschaft während des Planungsprozesses erkannt, dass die Aufteilung für den Betrieb nicht zwingend ist. Dank dieser Freiheit konnten attraktive Raumfolgen mit Luft- und Lichträumen entwickelt werden. Das Stationszimmer, das Behandlungszimmer und das Pflegebad liegen im Erdgeschoss an der Zugangsfassade. Die Betriebsräume befinden sich im Kern und beanspruchen so keine Fassadenfläche. Der Bettenlift ist ebenfalls im Kern allseitig gut erreichbar positioniert.

Die Bewohnerzimmer sind in der Typologie als Kleinwohnungen entworfen und verfügen mit einem grosszügigen Achsmass von 5,90 m über eine gute Tagesbelichtung. Die Loggia und die Nasszelle zonieren das Zimmer räumlich in einen Wohn- und einen Schlafbereich. Die gewählten Materialien im Innenraum haben den Anspruch, eine für die Nutzer wohnliche Atmosphäre zu schaffen. Diesem Anspruch werden die Innenräume unter anderem durch den Einsatz von Eichenfurnier, Tapeten, Weissputz und Textilien gerecht. Das Farbkonzept in Form von Grüntönen an präzise ausgewählten Wand- und Deckenflächen bestärken die wohnliche Stimmung. Ein möglicher Spitalcharakter wird konsequent aus dem Erscheinungsbild verbannt.

Konstruktion, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit

Die Gebäudestruktur basiert auf einem Massivbau. Die Gebäudehülle wird aus hoch gedämmten und nicht tragenden Holzelementen konstruiert. Die vorfabrizierte und hinterlüftete Holzfassade ist mit einer Roggenmehllasur behandelt. Die feine Fassadengliederung durch die Lisenen kombiniert mit dem hellen Anstrich verleihen dem Neubau Leichtigkeit. Ein aussen liegender Sonnenschutz verhindert eine sommerliche Überhitzung, und das Kragdach schützt die hinterlüftete Fassade vor Witterungseinflüssen. Die konsequente Führung des Dämm-Perimeters und die einfache Abwicklung der Gebäudehülle trägt wesentlich zur Wirtschaftlichkeit bei. Auf dem Dach ist eine Solaranlage angebracht. Die Gebäudehülle erreicht den Minergie-Standard.

Die gewählte Baustruktur, die gewählten Baumaterialien und die gute Tageslichtnutzung in den Erschliessungszonen garantieren einen sorgfältigen Umgang mit den Ressourcen und eine angenehme Behaglichkeit. Die hohe Qualität der thermischen Gebäudehülle garantiert die Minergie-Tauglichkeit. Bei der Gebäudetechnik sind bewährte Systeme wie Niedertemperatur-Bodenheizung und zentrale Komfort-Hygienelüftung eingesetzt worden. Die Wärmeabgabe an die Räume erfolgt mit einer Fussbodenheizung im Selbstregeleffekt mit einer Vorlauftemperatur von maximal 30 °C. Alle Räume werden be- und entlüftet (Hygienelüftung). Die Zuluft strömt durch diskret ausgestaltete Schlitze in den Sturzbrettern in die Pflegezimmer, und die Abluft wird in den Nasszellen abgesaugt.

Bautafel

Bauherrschaft Bürgergemeinde Arbon, Stiftung Seevida

Architektur raumfindung architekten, Rapperswil

Bauleitung Eggmann Bauführungen AG, Amriswil

Bauingenieur Wälli Ingenieure AG, St. Gallen

Elektroplanung Inelplan AG, St. Gallen

HLS-Planung Vadea AG, St. Gallen

Landschafts-Architektur Martin Klauser, Rorschach

Baumeister Stutz AG, Arbon

Holzbau Kaufmann Oberholzer AG, Roggwil

Villa Quisisana
Die strukturierte Holzfassade, mit heller Roggenmehllasur behandelt, verleiht dem Gebäude Feingliedrigkeit.
Villa Quisisana
Im Aufenthaltsbereich ergeben sich interessante Sichtbezüge in die Gemeinschaftsräume des Erdgeschosses.
Villa Quisisana
Die gemeinschaftlichen Bereiche mit hoher Betriebsfrequenz sind erdgeschossig und mit Bezug zum Park situiert.
Villa Quisisana
Die Bewohnerzimmer sind in der Typologie als Kleinwohnungen entworfen.
Villa Quisisana
Villa Quisisana
Im Obergeschoss sind die Erschliessungswege zu den Zimmern um die drei Lichthöfe angeordnet.
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